Suchtkranke Eltern – ein psychisches Risiko für Kinder!? Teil 2: Suchtmittelspezifische und suchtmittelunabhängige Risikofaktoren.

In diesem Beitrag wird das Wissen zu den Entwicklungsrisiken, Resilienzen und Präventionsmöglichkeiten für Kinder suchtkranker Eltern, das derzeit vorliegt, im Sinne eines Updates dargestellt (siehe auch: Teil 1: Grundlagen, Kultur- und Sozialgeschichte, Epidemiologie). Der folgende zweite von drei Teilen (zitierte Literatur abrufbar am Ende von Teil 3) beschäftigt sich mit den Risikofaktoren, denen die betroffenen Kinder ausgesetzt sind und ihren Auswirkungen. Dabei wird unterschieden zwischen den mittelbaren und unmittelbaren Risikofaktoren unterschieden. Auf der einen Seite sind dies die suchtmittelunspezifischen, strukturellen und psychosozialen Risikofaktoren. Hierzu gehören gesellschaftliche Stigmatisierung von Suchtkranken und ihren Kindern, Diagnose- und Versorgungsdefizite im Versorgungssystem und die Folgen der Drogenkriminalisierung. Auf der anderen Seite sind die suchtmittelspezifischen Risikofaktoren für die exponierten Kinder zu berücksichtigen. Hier wird betrachtet, wie sich verschiedene Substanzen auf das elterliche Verhalten (Erziehung, Interaktion, Emotionen) auswirken.

Psychosoziale Lebensbedingungen suchtbelasteter Familien

Die Forschungslage zu den Lebensbedingungen von Kindern aus suchtbelasteten Familien ist im Unterschied zu den epidemiologischen Angaben umfassend und differenziert (Klein, 2008; Moesgen, 2014; Thomasius, Schulte-Marckwort, Küstner & Riedesser, 2008). Genauere Kenntnisse zu den Lebensbedingungen der betroffenen Kinder und Jugendlichen können dabei Verbesserungen in der Prävention und in der Passgenauigkeit der Hilfen in den verschiedenen Versorgungssystemen erleichtern. So sollten die medizinisch-therapeutischen Maßnahmen in Bezug auf den alkoholkranken Elternteil stets eng mit den kinderschutzorientierten Interventionen abgestimmt und koordiniert werden.

Suchtmittelunspezifische Risikofaktoren

Unter den suchtmittelunspezifischen Effekten werden die Risikofaktoren verstanden, die mittelbar mit dem elterlichen Substanzkonsum zu tun haben. Dies können etwas Veränderungen im Eltern- und Erziehungsverhalten, in der sozialen Lage und der Arbeitssituation der Eltern oder die Reaktionen des Umfeldes auf die elterliche Suchtstörung darstellen.

Problematische Lebenslagen und soziodemografische Bedingungen

In suchtbelasteten Familien sind generell eine schlechtere soziale Lage, mehr soziale Randständigkeit und insgesamt mehr sozial riskante Lebenslagen zu konstatieren, die sich meist negativ auf die Kinder auswirken. So sind z.B. höhere Raten an Arbeitslosigkeit und ein niedrigerer sozioökonomischer Status zu beobachten als in Familien ohne Suchtbelastung (Serec et al., 2012). Dies kann zu einer höheren Exposition der Kinder gegenüber dem alkoholkranken Elternteil führen, weil dieser länger im intoxikierten Zustand in der Familie präsent ist. Außerdem kann es durch eine Interaktion zwischen den ungünstigeren sozialen Bedingungen der Familie als Ganzes und dem Substanzkonsum des süchtigen Elternteils zu dysfunktionaleren Familienmustern kommen, z.B. mehr Disharmonie, höhere Zahl und intensiverer Verlauf von Konflikten zwischen den Eltern, häufigere Intoxikations- und Entzugssituationen u.ä.  Im Falle elterlicher Drogenabhängigkeit kommt eine stärkere soziale Isolation und Ächtung der Familien mit den entsprechenden Folgen von Stigmatisierung und Negativetikettierung auch für die Kinder hinzu (Klein, 2006).

Kinder suchtkranker Eltern in Schule und Familie

Kinder aus suchtbelasteten Familien zeigen außerdem durchschnittlich schlechtere schulische Leistungen als unbelastete Gleichaltrige. Dies wird vor allem mit dem schlechteren elterlichen Erziehungsverhalten, der geringeren Unterstützung bei Hausaufgaben und dem erhöhten Stressniveau der Kinder erklärt, welches Probleme in der Konzentration und Leistungsmotivation begünstigt. Kinder drogenabhängiger Eltern weisen auffällig häufig Sprachstörungen (Artikulation, Wortschatz, Satzbildung) auf (Hogan, 1998). Soziale Marginalisierung, Exklusion und Stigmatisierung durch die Gesellschaft erleben Kinder von suchtkranken Eltern insgesamt häufiger als andere Kinder, oft bis ins Erwachsenenalter (Haverfield & Theiss, 2016). Diese sozialen Abwertungsprozesse erfolgen oft subtil, so dass sie für die Kinder schwer erfassbar und verstehbar sind. Dies gilt für Kinder drogenabhängiger Eltern in besonderem Maße, da das elterliche Verhalten sich – oft bewusst – außerhalb sozialer und strafrechtlicher Normen bewegt, nicht nur in Bezug auf Drogenkonsum, sondern auch auf Gewaltverhalten und Eigentumsdelikte (Klein, 2006).

Trennungen oder Scheidungen der Eltern oder sogar den Tod eines Elternteils erleben Kinder aus suchtbelasteten Familien häufiger als Kinder aus unbelasteten Familien (Waldron, Bucholz, Lynskey, Madden & Heath, 2013). Dies bedeutet für das Kind höheren Lebensstress, oft unvorhergesehene Beziehungsabbrüche zu einer wichtigen Bindungs- und Bezugsperson, bisweilen auch eine schwerwiegende Traumatisierung (Schäfer, Barnow & Pawils, 2016). Auch häufige (und bisweilen wiederholte) Fremdunterbringungen der Kinder (Forrester & Harwin, 2011), stationäre Aufenthalte oder Inhaftierungen der Eltern sorgen für eine Instabilität in der Eltern-Kind-Beziehung und begünstigen neben der Gefahr chronischer Traumatisierung vor allem auch eine fehlende oder unsichere Bindung (Anda et al., 2002).

Akkumulation von Risikofaktoren – eher Regel als Ausnahme 

Insgesamt ist zu beachten, dass das Aufwachsen in einer suchtbelasteten Familie für die betroffenen Kinder oft eine unerwünschte und kindeswohlgefährdende Akkumulation von Stress- und Risikofaktoren bedeutet, die sich kurz-, aber auch langfristig schädigend auswirkt. Dies gestaltet sich bei Drogenabhängigkeit und Polytoxikomanie meist noch intensiver und ungünstiger als bei Alkoholabhängigkeit. Im Sinne des Familienstressmodells (Schneewind, 2010) liegen gehäuft Situationen von Duldungs- und Katastrophenstress vor. Duldungsstress bedeutet, intolerable Stressoren chronisch aushalten zu müssen.

Katastrophenstress bezeichnet die Schwierig, mit unerwarteten, schwer zu bewältigenden Stressoren umgehen zu müssen. Kinder suchtkranker Mütter zeigen darüber hinaus häufiger Parentifizierungsmuster als Kinder suchtkranker Väter. Auch Verhaltensauffälligkeiten des betroffenen Kindes im Schul- und Peer-Kontext können eine Rolle spielen. Die Kinder haben oft das Gefühl, nicht „normal“ zu sein und leiden bisweilen unter extremen Einsamkeitsgefühlen. Sie schämen sich und fühlen sich ausgegrenzt. Dies verleitet die Kinder vor dem Hintergrund starker Schamgefühle zu dem Versuch, ihre familiäre Situation vor anderen mit allen Mitteln geheim zu halten, deshalb zu lügen oder Phantasiegeschichten zu erfinden (Backett-Milburn, Wilson, Bancroft & Cunningham-Burley, 2008), wodurch sie langfristig ungewollt noch auffälliger und isolierter werden. Tabuisierung des familialen Suchtproblems ist daher eine Reaktion, an dem die betroffenen Kinder aus Scham- und Schuldgefühlen oft aktiv mitwirken.

Problematisches Elternverhalten

Bei suchtkranken Eltern wurde wiederholt ein erhöhtes Risiko für unpassende, schädigende bis hin zu traumatisierenden Verhaltensweisen im Umgang mit den eigenen Kindern gefunden (Forrester & Harwin, 2011). So ist z. B. die adäquate Versorgung betroffener Kinder durch die Eltern oftmals gefährdet. Suchtkranke Eltern vernachlässigen zum einen häufig Fürsorge und Pflege des Kindes, zum anderen erfüllen sie auch in vielen Fällen dessen emotionale Grundbedürfnisse nach Nähe, Zuwendung und Liebe nicht adäquat (Hill, 2013). Durch die Vernachlässigung der elterlichen Pflichten werden die alltäglichen Aufgaben innerhalb der Familie oft neu verteilt.

Kinder bekommen dann häufig explizit oder implizit Aufgaben zugeschrieben, die ihrem Entwicklungsstand nicht angemessen sind und sie geraten in altersinadäquate parentifizierende Verhaltensmuster, wie z. B. jüngere Geschwister oder den Elternteil zu versorgen (Pasternak & Schier, 2014). Durch die sich chronifizierenden Parentifizierungsverhaltensweisen, durch die das Kind implizite Aufträge und Pflichten erfüllt, welche die Eltern selbst nicht mehr erfüllen können, bewältigen die betroffenen Kinder ihre alterstypischen Entwicklungsaufgaben nicht mehr adäquat und fühlen sich oft chronisch überfordert. Insbesondere Mädchen scheinen hiervon betroffen zu sein (Wolfe, 2016).

Vordergründig vermitteln die altersuntypischen Aufgaben in der Parentifizierung dem Kind ein Gefühl des Gebrauchtwerdens und der Wichtigkeit, welches in der Ersatzfunktion der Elternschaft für erwachsene Elternteile besteht. Die erworbenen parentifizierenden Verhaltensmuster können von dem Kind auch zur Steigerung des oft fragilen Selbstwertgefühls genutzt werden, ohne dass dieses sich in autonomer und stabiler Weise ausbildet. Mit anderen Worten: Das Selbstwertgefühl bleibt davon abhängig, sich um andere zu kümmern, für diese da zu sein oder gar ihr Wohlwollen zu bekommen. Die innere Grundhaltung des sich um jeden Preis Kümmern-Müssens („over-carers“) oder Kontrolleskalationen (ich muss noch mehr aufpassen und kontrollieren) können sich entwickeln. 

Suchtkranke Eltern – Abwehr, Selbsttäuschung und reales Erziehungsverhalten

Auch wenn die Eltern selbst glauben, ihre Kinder adäquat zu versorgen und zu erziehen, dürfte dies in der Mehrzahl der Fälle Selbsttäuschung und selbstwertdienliche Realitätsverzerrung darstellen. Zwar wollen die allermeisten suchtkranken Eltern gute Eltern für ihre Kinder sein, doch gelingt dies in sehr vielen Fällen praktisch nicht (Kröger, Klein & Schaunig, 2006). Es ist für die Suchttherapie eine wesentliche Herausforderung, mit den Eltern an dieser Selbsttäuschung zu arbeiten und sie gleichzeitig in ihrer Elternkompetenz zu fördern

Außerdem zeigen suchtkranke Eltern häufig konkret Defizite im Erziehungsverhalten (Forrester & Harwin, 2011; Haverfield & Theiss, 2016). Beobachtete Formen ungünstiger Erziehung sind z. B. ein sehr scharfer Ton, häufiges Schreien oder körperliche Bestrafung des Kindes. Auch sprunghaft wechselndes Elternverhalten konnte in suchtbelasteten Familien immer wieder beobachtet werden und gehört zu einer der wichtigsten Konsequenzen von Suchtstörungen auf das familiäre Umfeld (Templeton, Velleman, Hardy & Boon, 2009). Dadurch verhalten sich die Elternteile in den Augen der Kinder unberechenbar und instabil. Kinder erleben ihre Eltern meist deutlich verändert, wenn diese intoxikiert oder in Entzugsphasen sind. Dies kann sich alternierend, z. B. in Form von übertriebener Milde oder Härte in der Erziehung des Kindes äußern (Klein, Dyba & Moesgen, 2016), aber auch in Form eines wechselhaften, unpassenden Interaktionsstils (z. B. undeutliche oder lautere Sprache, ausgeprägtes Bedürfnis nach körperlicher Zuneigung vs. Ablehnung). 

Negative Alltagsatmosphäre

Insgesamt zeigen sich suchtkranke Eltern in ihrem Eltern- und Erziehungsverhalten volatiler, d. h. schneller veränderlich, instabiler und unberechenbarer als andere Eltern. Durch fehlende Konsequenz und mangelnde Kontinuität in der Erziehung fehlt es für die Kinder an verlässlicher Orientierung und Sicherheit. Suchtkranke Eltern sind alles in allem weniger und seltener in der Lage, eine positive Atmosphäre im Zusammensein mit dem Kind aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Es überwiegen negative Alltagsatmosphären von Anspannung, Unberechenbarkeit, Disharmonie und Kälte, was dann als chronischer Duldungsstress empfunden wird. Überdies fördern die Eltern Problemlösefähigkeiten und Durchhaltevermögen des Kindes nur unzureichend (Belsky & Jeffee, 2006). Sie zeigen zudem eine geringe emotionale Responsivität und Feinfühligkeit im Umgang mit dem Kind, sodass sich häufig auch aufgrund dieser Gegebenheiten eine unsichere Bindung oder klinisch relevante Bindungsstörungen zwischen Eltern und Kind entwickeln.

Häusliche Disharmonie und Gewalt

Kinder aus suchtbelasteten Familien erleben häufig Disharmonie in der elterlichen Partnerschaft (Rounsaville, O´Farrell, Andreas, Murphy & Murphy, 2014) und werden dementsprechend immer wieder Zeugen von verbalen und physischen Auseinandersetzungen (Templeton et al., 2009). Kinder aus alkoholbelasteten Familien sind außerdem auch häufig selbst in Konflikte mit ihren Eltern involviert (Barber & Gilbertson, 1999) und können vermehrt direkt Opfer von physischer, emotionaler und sexueller Gewalt werden (Klein, 2008). Betroffene Kinder erleben dadurch häufig Ambivalenzerfahrungen, insbesondere gegenüber ihrem suchtabhängigen Elternteil (Klein, 2005) – z. B. in Form von Hass und Verachtung vs. Angst und Sorge um den Elternteil.

Diese Erfahrungen entwickeln sich nicht selten zu chronischen Ambivalenzkonflikten, die in der Folge das erlebte Stressniveau noch erhöhen. Es ist schon länger bekannt, dass Kinder aus alkoholbelasteten Familien eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, Zeuge oder Opfer von häuslicher Gewalt zu werden als Kinder aus unbelasteten Familien (Ellis, Zucker & Fitzgerald, 1997). Die berichtete häusliche Gewalt in suchtbelasteten Familien ist teilweise extrem ausgeprägt und kann zu schwerwiegenden körperlichen Verletzungen und psychischen Traumatisierungen führen (Velleman, Templeton, Reuber, Klein & Moesgen, 2008). Aber auch eine völlig konfliktleugnende oder -vermeidende Atmosphäre wird in entsprechenden Familien gehäuft gefunden, sodass es für betroffene Kinder schwierig ist, die Ursachen von Stress und Tabuisierung zu erkennen. Es ergibt sich dann eine stark vermeidende und realitätsverzerrende Haltung und Atmosphäre. 

Suchtmittelspezifische Risikofaktoren

Zusätzlich zu den substanzunabhängigen Risikofaktoren (etwa den Persönlichkeitsmerkmalen und dem Erziehungsstil der Eltern) können auch substanzspezifische Intoxikationserscheinungen als Risikofaktoren auftauchen: z. B. erhöhte elterliche Aggressivität und Affektlabilität besonders unter Alkohol- und Stimulantieneinfluss, Apathie und Sedierung bei Opioidintoxikation oder langanhaltende Wachheit, Unruhe und Verwirrtheit infolge von Entzugserscheinungen sowie Agitiertheit oder „Punding“ (repetitive/stereotype Handlungen wie zwanghaft anmutendes Sortieren von Gegenständen oder zwanghaftes Putzen) bei Methamphetaminabhängigen. Diese klassischen Suchtsymptome verändern das elterliche Verhalten grundsätzlich (im negativen Sinne) und führen somit zu chronisch ungünstigen Verhaltensweisen gegenüber dem Kind. Als Suchtsymptome gelten solche, die mit dem exzessiven Konsum, der Intoxikation, dem Entzug, dem Substanzverlangen und der Toleranzerhöhung direkt zu tun haben. 

Besonderheiten der elterlichen Drogenabhängigkeit

Kinder von drogenabhängigen Eltern erleben im Gegensatz zu Kindern alkoholabhängiger Eltern häufiger eine Abhängigkeitserkrankung bei beiden Elternteilen, da bei Drogenabhängigen ein entsprechendes, subkulturell bedingtes Partnerwahlverhalten und die gegenseitige soziale Ansteckung mit dem Drogenkonsumverhalten üblicher ist als bei später Alkoholabhängigen (Klein, 2006, 2008). Dadurch können die negativen Effekte des drogenabhängigen Elternteils nicht hinreichend durch einen gesunden Elternteil kompensiert werden. Die höhere Rate an Frühgeburten und das oftmals schwierige Temperament von Kindern drogenabhängiger Mütter kann bei den Eltern Überforderungsgefühle und psychischen Stress auslösen und ihre Beziehung zu den Kindern beeinträchtigen. Darüber hinaus wachsen Kinder drogenabhängiger Eltern auch häufiger bei einem alleinerziehenden Elternteil, meist bei den Müttern, auf (Forrester & Harwin, 2011; Klein, 2006; Klein et al., 2016).

Kinder aus drogenbelasteten Familien erleben häufig die typischen Umstände der Drogensubkultur mit, wie z.B. Beschaffungskriminalität, Prostitution, Strafverfolgung usw. (Calhoun et al., 2015). Inhaftierungen und längere stationäre Aufenthalte bei Drogenabhängigkeit sorgen außerdem bisweilen für einen Beziehungsabbruch zwischen Eltern und Kind. Eine Trennung von Eltern und Kind erfolgt häufig auch im Kontext von Kindeswohlgefährdung durch Fremdunterbringungen und Inobhutnahmen (Klein, 2016). Obwohl eine Fremdunterbringung vom Kind als traumatisch erlebt werden kann, stellt ein Verbleib in der Familie auch einen hohen Risikofaktor für die weitere Entwicklung des Kindes dar (Forrester & Harwin, 2008), sofern keine intensiven, begleitenden familiären Unterstützungsmaßnahmen mit Erfolg angeboten werden (Forrester, Holland, Williams & Copello, 2014) und sich die Suchtsymptomatik nicht entscheidend verändert. Insofern ist im Sinne des Kindeswohls ein Abwägungsprozess vorzunehmen, welche Maßnahme das geringere Risiko für das Kindeswohl und die bessere Hilfe darstellt und welche Unterstützungen zusätzlich nötig sind.

Eine Abhängigkeit von illegalen Drogen wird in der gesellschaftlichen Wahrnehmung regelhaft noch negativer bewertet als eine Alkoholabhängigkeit. Stigmatisierung und Ausgrenzung begegnen daher diesen Familien häufiger und intensiver. Kinder drogenabhängiger Eltern sind hierdurch besonders betroffen und lernen oft weniger sozial förderliche Verhaltensweisen und erleben sich dadurch insgesamt in ihrem Selbstwertgefühl als instabiler und wertloser (Klein, 2006, 2008). Durch die vergleichsweise noch höhere psychische Komorbiditätsrate drogenabhängiger Eltern laufen deren Kinder zudem häufiger Gefahr, eine schwerwiegende Schädigung zu erleiden, weil sie neben der elterlichen Drogenabhängigkeit weiteren psychischen Erkrankungen der Eltern ausgesetzt sind. 

Fazit zu belastenden Familienbedingungen und Lebensumständen

Die Komponenten ungünstigen bis traumatisierenden Verhaltens sind im Kontext elterlicher Alkoholstörungen multipel und betreffen alle relevanten Ebenen des familienpsychologischen Geschehens. Eine elterliche Drogenabhängigkeit stellt eine Kumulierung und Intensivierung dieser Risikovariablen dar. Viele suchtkranke Eltern sind sich allerdings – bisweilen nur retrospektiv – ihres ungünstigen Erziehungsverhaltens und dessen negativer Auswirkungen auf ihre Kinder bewusst (Fraser, McIntyre & Manby, 2008; Haight, 2009) und können die negativen Folgen ihrer Sucht auf ihre Kinder nicht mehr ausblenden. Das elterliche Verhalten unter chronischem Alkohol- oder Drogeneinfluss führt bisweilen – vor allem durch therapeutische Interventionen – zu starken Gefühlen von Scham, Schuld und Sorge bei den Eltern, wobei Kinder dadurch auch ein besonders starkes und primäres Abstinenzmotiv für die betroffenen Eltern darstellen, und dies besonders stark für suchtkranke Mütter (Fraser et al., 2008; Klein et al., 2016).

Diese Abstinenzmotivation der suchtkranken Elternteile kann therapeutisch genutzt werden, ohne dass die Kinder für den Therapieprozess funktionalisiert werden sollten. Viele suchtkranke Eltern, insbesondere Mütter, sind durch entsprechende Interventionen aus dem Bereich des „Motivational Interviewing“ (Miller & Rollnick, 2015) für eine Veränderung ihres Problemverhaltens erreichbar. Entscheidend ist, dass sie ihre ambivalente und problemverleugnende Haltung überwinden und lernen, sich selbst kritisch und realistisch zu reflektieren. Dies sollte möglichst frühzeitig und koordiniert im Hilfesystem geschehen (Klein et al., 2016), um den Kindern eine lange Leidenszeit zu ersparen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass elterliche Suchtmittelfreiheit das familiäre Leben meist insgesamt stabilisiert (Fraser et al., 2008) und somit der weiteren Entwicklung der betroffenen Kinder besonders zugutekommt (Andreas & O´Farrell, 2017).

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