Weltfrauentag und blondes Bier – ein Aufruf zum Weintrinken

Eine belgische Brauerei bietet zum Weltfrauentag am 08. März ein spezielles Frauenbier mit dem Namen Delirium Deliria an. Eine Berliner Biervertriebsagentur bewirbt das Ganze mit vermeintlich weiblichem Vokabular. Was ist an dem Deliria-Bier so weiblich? Doch hoffentlich nicht, dass es blond ist.

Delirium Deliria Bier

Delirium Deliria ist ein belgisches Tripel als starkes Blonde mit ausgefeilten Aromen von Chardonnay, zu Ehren des Weltfrauentages gebraut“, heißt es unter anderem auf der Website eines Vertriebspartners der belgischen Brauerei in Berlin. „Die Herstellung des Bieres Delirium Deliria findet seit 2020 einmal im Jahr ausschließlich von Damen für den Weltfrauentag statt“. In der Phantasie tauchen Szenen aus McBeth auf, die eher drei kräuterkundige Hexen zeigen als junge Braumeisterinnen im sterilen weißen Kitteln. Aber das ist bestimmt nur der klassischen männlichen Sozialisation geschuldet. Damit werden Frauen im Brau-Business gestärkt, meint die belgische Brauerei.

Delirium ist etwas Schlimmes – aber nur in der Psychiatrie

Für Delirium (lat.), was mit „Irresein“, ursprünglich aus der Furche geraten, zu übersetzen ist, gibt es natürlich kein generisches Femininum wie Deliria. Meistens wird der Begriff Delirium im Sinne eines Alkoholdelirs als akutes starkes Verwirrtsein aufgrund einer erheblichen Alkoholintoxikation verwendet. Der Zustand eines Deliriums ist im psychiatrischen Sinne ein schlimmer, oft auch lebensbedrohlicher Zustand. Die Bierbranche nutzt das Prinzip des Reframings und des Euphemismus, um daraus einen Verkaufserfolg zu kreieren. Insofern ist die Wortbildung „Deliria“ ein reines femininisierendes Marketing-Kunstwort, das nur dem Appeal, Frauen zu gefallen, zuzuschreiben ist und eine reine Marketingstrategie darstellt. Das ist auch dringend nötig, da das vermeintliche Spezialbier mit einem Literpreis von 9,85 € schon mit manchem Wein mithalten kann. Und dazu kommen wir auch gleich.

Geschichte und Herstellung des Bieres Delirium Deliria

Die herstellende Brauerei befindet sich in der belgischen Region Flandern, die auf eine lange Brautradition zurückblicken kann.  Das Deliria-Bier wird obergärig mit vier Malzsorten und fünf Hopfensorten (dabei kalt gehopft mit Saazer Hopfen) gebraut und dann in der Flasche erneut mit Zucker und Hefe versorgt, was eine zweite Gärung anstößt. Damit entsteht eine mit 8.5 Vol. % eine höhere Menge an Alkohol. Zusätzlich wird die Kohlensäure mit einem echten Korken in der robusten Flasche gesichert. Das Design der Bierflasche wurde von einer kanadischen Graphikerin entworfen. Überraschenderweise heißt es dann in der Werbung weiter: ein einzigartiges Bier – nicht nur für Frauen!

Also Männer sollen das Deliria auch trinken? Hier dürfte der Wunsch nach Umsatz und Gewinn der Vater des Gedankens sein. Denn Männer trinken in Deutschland ohnehin schon drei- bis viermal mehr Bier als Frauen. Und dies offenbar unabhängig vom Geschlecht der Brauenden und dem Namen des Bieres. Tatsächlich haben die meisten Biertrinker jedoch eine Stammmarke, von der sie ungern abweichen. 

Wie sieht das Bier Delirium Deliria aus und wie riecht es?

Bier braucht eine hervorragende Drinkability, wird von Brauexperten und Biersommeliers heutzutage gerne verkündet. Das englische Modewort hat längst den biederen Begriff der Süffigkeit ersetzt. Die Werbung für Deliria knüpft an die mit dem Konzept der Drinkability vertieften Idealisierung des Bieres an und fokussiert dabei besonders auf Frauen. „Das Bier Delirium Deliria sieht klar und goldfarben aus mit einem feinen weißen Schaum. Es riecht blumig, säuerlich frisch, wie Chardonnay, süß wie Honig, fruchtig von Banane und Zitrus mit einem Hauch von Koriander“, heißt es im Werbetext der Berliner-Bier-Sommeliers. Ich persönlich muss gestehen, dass ich diese Geschmacksbeschreibungen eher für Auto- und Fremdsuggestionen halte. Aber, wer es so schmecken kann, dem sei es gegönnt. Ganz ähnlich suggestiv, beinahe hypnotisierend, wirkt auch die Beschreibung des Geschmacks.

Wie schmeckt das Bier Delirium Deliria?

„Das Bier Delirium Deliria schmeckt weich im Antrunk, blumig und trocken mit süßen Aromen von Mais und einer scharfen pfeffrigen Note. Dazu kommen fruchtige Noten von Erdbeere, Traube und harzige Noten von Holz, die säuerlich den Abgang einleiten, der fein bitter mit leichten Kräuternoten ausklingt. Ausgewogen und säuerlich fruchtig erinnert das Bier an einen trockenen Weißwein, ähnlich einem Chardonnay, und ist zugleich säuerlich spritzig, wie Schaumwein“. Die aus dem Bereich der Weinverkostung und –werbung stammende Sommeliersprache macht hier gerade Saltosprünge, um der Kundschaft das Deliria nahezubringen.

Da nun der Chardonnay im Werbetext für die Charakterisierung des Delirium Deliria schon mehrfach erwähnt wurde, mag sich die geneigte Biertrinkerin allmählich fragen, ob sie dann nicht direkt diesen Weißwein zu sich nehmen soll, zumal da viele Frauen Wein dem immer noch als eher männlich geltenden Bier bevorzugen. Die Marketingstrategie ist klar: Frauen, trinkt mehr Bier, aber dann ein besonders exklusives!

Wozu passt das Bier Delirium Deliria am besten?

Das Bier Delirium Deliria passt zu einem schönen Frauenabend, wo die große Bierflasche schwesterlich geteilt wird“. Dieser Satz der Berliner Bier-Experten ist echt die Höhe. Die Frauen sollen in allerbester Bauarbeitermanier das Bier aus der 750 ml-Flasche teilen und vielleicht sogar die Flasche kreisen lassen? Aber keine Sorge, nach diesem maskulistischen Trinkritual folgt sogleich der gefühlige Text, der zurück zum klassischen Frauen-Ambiente führt, wenn es heißt: „Probiere das Bier zu Weißbrot, Trauben und Käse oder zu hellem Fleisch, wie Kalbsfleisch mit zartem Gemüse, wie Spargel, Béchamel Soße und Kartoffeln. Auch Pralinen mit dunkler Schokolade und Fruchtfüllung passen gut dazu“.

So what? – Frauen, trinkt mehr Bier!

Nun, Schluss an dieser Stelle mit dem gefühlig-anheimelnden Werbetext, den gut und gerne Männer aus der Werbebranche geschrieben haben könnten. Es wird sehr schnell deutlich, dass man sich an den Weltfrauentag anbiedern will und das Ganze zur Konsum- und Absatzsteigerung benutzen möchte. Das ist grundsätzlich erlaubt. Ob es sich jedoch als Erfolg erweist, ist eine andere Frage. Aber: Es geht auch weniger auffällig und eher kreativ und – noch wichtiger – sicherlich auch nicht so überteuert. Dann vielleicht doch besser ein Gläschen Chardonnay – zu zweit natürlich. Und dann nächste Woche – nach der Alkoholpause für den Organismus – wieder ein Kölsch (für Frauen), oder maximal zwei (für Männer)!

Einfach wegen der Grenzwerte für riskantes Trinken. Und was noch zu bedenken ist, Mädchen und junge Frauen trinken ohnehin schon seit Jahren mehr Alkohol. Die Bierflasche in der Öffentlich ist für junge Frauen zum Statussymbol der Gleichberechtigung geworden. Dies ist, was Gesundheit und Wohlbefinden angeht, nicht unbedenklich. Dafür wiederum hat das Deliria mit seinem stolzen Preis eine abschreckende und potentiell konsumbegrenzende Wirkung! Also raus zum Weltfrauentag mit einem Fläschchen Deliria in der Hand?