Suchthilfe hat Zukunft: Entstehung – Gegenwart – Entwicklungsaufgaben. oder: Es kann nichts bleiben, wie es ist! Aber wie soll es werden? – Suchthilfe nach dem Jahr 2030

Am 7.7.2023 feierte die AG Sucht in Hagen ein bemerkenswertes Jubiläum: Ihr 77-Jähriges Bestehen! Dies allein ist schon ein besonderes Ereignis, denn an den meisten Orten in Deutschland herrschte zu dieser Zeit (1946!), was Suchtprobleme anging, noch Untätigkeit. Dabei war die direkte Nachkriegszeit in Folge von Traumatisierung, Tod, Verfolgung, Verlusten und chronischen Schmerzen von vielen psychischen Störungen und Suchtstörungen zahlreich betroffenen. Die dann ab 1949 folgenden Jahre des Wirtschaftswunders waren von stark steigendem Alkoholkonsum und ab 1968 von zunehmendem Drogenkonsum gekennzeichnet. Und erst ab 1968 entstand in Deutschland nach einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) flächendeckend ein nennenswertes Suchthilfesystem. Diese Entwicklung hat die AG Sucht in Hagen vorausschauend mit vielen Innovationen in der Suchthilfe begleitet. 

Zukunftsaufgaben der Suchthilfe

Ich hatte die große Freude, bei der Jubiläumsfeier in Hagen mit einem Beitrag „Suchthilfe hat Zukunft…“ einen Festvortrag zu halten. Dabei ging es neben den geschichtlichen Aspekten zu Sucht und Suchthilfe um die Zukunftsaufgaben der Suchthilfe. Die Professionalität der Suchthilfe wird an der Erfüllung dieser Themen gemessen werden:

(1) Mehr Langzeitverläufe einschl. Suchtverlagerungen in den Blick nehmen und behandeln („Zyklik der Sucht“)
(2) Mehr Komorbiditäten behandeln („Eine Sucht kommt selten alleine“)
(3) Mehr Interdisziplinarität (v.a. ambulant) („bio-psycho-sozial“ auch im Team!)
(4) Mehr Gendersensibilität (v.a. mehr Männer, als Klienten sowieso, aber auch als Berater!)
(5) Mehr Breite der Angebote und Differenzierung der Ziele, d.h. : Suchtberatung von Konsum bis Abstinenz („Suchtberatung: Mehr als Abstinenz!“)
(6) Mehr Unerreichte erreichen (Spezialisten für „hidden groups“ werden!)

Aus Zukunftsaufgaben werden Entwicklungsaufträge

Aus den genannten Zukunftsaufgaben für die Suchthilfe lassen sich konkrete Entwicklungsaufträge ableiten. Diese sind: 

  1. Abbau der Stigmatisierung der Sucht und Versäulung der Suchthilfen durch bessere Integration
  2. Die transgenerationalen Grenzen müssen durchlässiger werden
  3. Suchtstoffe und Suchtprobleme müssen in ihrer Gesamtheit und über die Lebensspanne wahrgenommen werden
  4. Sucht- und Drogenhilfe muss evidenzbasiert alle Hilfe- und Beratungsthemen abdecken
  5. Digitalisierung und Hybridstrukturen müssen weiterentwickelt werden 
  6. Der Mangel an Suchtforschung und Forschungsstrukturen muss überwunden werden
  7. Suchtprävention in allen Handlungsfeldern stärken
  8. Genderreflektierte Suchthilfeangebote stärken
  9. Qualifikation der Fachkräfte sichern und ausbauen
  10. Suchtspezifisches Knowhow in die Drogenpolitik einbringen

Wenn diese Entwicklungsaufträge konsequent und beharrlich angegangen werden, hat Suchthilfe mit Sicherheit Zukunft. Sie wird dringend gebracht: Für Prävention, für Beratung, für Therapie und für Nachsorge. Die enge, vertrauensvolle Kooperation zwischen Suchtselbsthilfe und professioneller Suchthilfe spielt jetzt und in Zukunft bei allen Bemühungen zur Weiterentwicklung eine besonders wichtige Rolle. Unter Wahrnehmung der gesellschaftlichen Verantwortung für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren hat Suchthilfe eine Zukunft!

Hier finden Sie meinen Vortrag zum Hagener Jubiläum mit ausführlichen Erläuterungen zu den genannten Punkten. Weitere Ausführungen zur Zukunft der Suchthilfe finden Sie unter „Suchthilfe in Deutschland 2040: Prävention, Beratung und Behandlung unter sich wandelnden gesellschaftlichen Bedingungen“.

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