Kinder suchtkranker Eltern in der stationären Suchtrehabilitation – Gerade erst am Anfang (inkl. Download “Sonderausgabe Sucht Aktuell”)

Jährlich durchlaufen in Deutschland ca. 70.000 Suchtkranke eine medizinische Rehabilitation wegen Alkohol- oder Drogenabhängigkeit, die Mehrzahl davon stationär. Die entsprechenden mehr als 400 spezialisierten Entwöhnungseinrichtungen fokussieren ihre Therapie nach den gesetzlichen Vorgaben des SGB VI auf die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit. Dieser Auftrag wird durch eine auf das suchtkranke Individuum zugeschnittene Therapie von 3-6 Monaten Dauer erfüllt.

Was bisher jedoch nicht ausreichend berücksichtigt wird, ist die Tatsache, dass bis zu zwei Dritteln der Suchtkranken Eltern sind und dass mehr als ein Drittel selbst aus einer suchtbelasteten Familie entstammt.

Für die Leistungsträger, insbesondere die Deutsche Rentenversicherung Bund, sind die Kinder der Rehabilitanden bestenfalls Begleitkinder. Diese können in Ausnahmefällen – suchtkranke Mütter mit Kindern im Vorschulalter – zu einem Tagessatz von meist um 60 € mit aufgenommen werden. Dies schließt die meisten betroffenen Kinder automatisch aus. Darüber hinaus lässt der niedrige Tagessatz keine therapeutischen oder intensivpräventiven Behandlungen zu.

Der Fachverband Sucht e.V. in  Bonn hat nun unter der Federführung des Geschäftsführers, Dr. Volker Weissinger, und mehrerer Expertinnen und Experten aus Forschung und Praxis eine umfangreiche Schrift mit den Hintergründen und den Lösungsmöglichkeiten in Bezug auf das Thema „Begleitkinder“ zusammengestellt, die gerade veröffentlicht wurde und hier heruntergeladen werden kann.

Als Autor betone ich, dass der familienspezifische Aufholbedarf im Bereich der medizinischen Rehabilitation Suchtkranker immens ist. Wir behandeln von Generation zu Generation die Suchtkranken mit hohem Aufwand und blicken dabei nur auf die jeweilige Generation. Dass Sucht im Wesentlichen eine Familienerkrankung darstellt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit über Generationen verläuft, bleibt völlig unberücksichtigt. Gesetzgeber und Kostenträger müssen endlich ihre diesbezüglichen Hausaufgaben machen, um die Suchtbehandlung für mitbetroffene Kinder sensibel und präventiv zu gestalten. Im Idealfall ist die Suchtbehandlung eines Elternteils der Einstieg in die präventiven Hilfen für mitbetroffene Kinder.

Das Behandlungssystem kann nicht so statisch bleiben, wie es derzeit ist. Aus Kostengründen und vor allem zur Verhinderung immensen Leids in den betroffenen Familien.