Adolf Hitler – Zocker, Psychopath und Kind eines Alkoholikers

Die biographische Forschung zu Adolf Hitler wirft auch mehr als 130 Jahre nach dessen Geburt immer noch Fragen und Rätsel auf, wobei durch die Forschungsresultate der letzten 20 Jahr immer deutlicher wird: Hitler war ein Exzessmensch, Zocker, Psychopath und Kind eines Alkoholikers. Er wurde narzisstischer Schauspieler, Verführer, notorischer Lügner vor dem Hintergrund einer Kindheit mit einem gewalttätigen und oft betrunkenen Vater. Seine Exzessivität bezieht sich vor allem auf Hassgefühle, Fanatismus, Täuschungen, Lügen und riskantes Konfliktverhalten.

Es gibt etliche Hinweise darauf, dass es in der Kindheit des späteren Diktators Adolf Hitler entwicklungspsychopathologische Auffälligkeiten gab, die seinen späteren Lebensweg mitgeprägt haben. Vor allem die Alkoholsucht und Gewalttätigkeit seines Vaters Alois. Diese Wurzeln haben ihn natürlich nicht vollständig determiniert, aber viele Wege gebahnt, die bei anderen Voraussetzungen und historischen Umständen von ihm mit weniger Wahrscheinlichkeit begangen worden wären. Die relevanten familienpsychologischen Hintergründe sind bislang kaum erörtert worden, es sei denn aus psychoanalytischer Sicht. Die Themen Sucht und Gewalt in der Herkunftsfamilie sind erstaunlich wenig in der Forschung berücksichtigt worden. Die Tabuisierung des Themas Sucht ist offenbar so stark, dass selbst 75 Jahre nach dem Ende der Nazi-Herrschaft relevante Aspekte noch übersehen werden. Der vorliegende Beitrag argumentiert, dass Hitler – bisher übersehen – ein Fall von Verhaltenssucht war. Dafür sprechen seine exzessiven schauspielerischen, rhetorischen und riskanten Tendenzen. 

Hitler-Biographik und klinische Familienpsychologie

In der familienpsychologischen Suchtforschung ist inzwischen unbestritten, dass das Aufwachsen in einer suchtbelasteten Familie schwerwiegende Schädigungen für die exponierten Kinder mit sich bringen kann. Wenn die Exposition gegenüber dem verhaltensveränderten, suchtkranken Elternteil lange andauert, mit Gewaltverhalten einhergeht und besonders von Unberechenbarkeit gekennzeichnet ist, sind die Folgen für die kindliche Entwicklung in der Mehrzahl der Fälle schwerwiegend. Insofern könnte dieser Tatbestand, wenn er denn als gesichert gelten kann, etliches in Bezug auf die Persönlichkeitsentwicklung des jungen Adolf und die späteren inneren und äußeren Verwüstungen erklären. Seine Entwicklung vor dem Hintergrund der überwiegend dystopischen Familienverhältnisse führte nicht geradewegs in das Maximum der Dystopie, die er anrichtete. Aber – wie für manche Kinder aus sucht- und gewaltbelasteten Kontexten – können diese kindlichen Erfahrungswelten ein relevanter Baustein ihrer späteren narzisstischen, psychopathischen und dissoziativen Phantasiewelten werden oder, wenn sie die Gelegenheit bekommen, eine Grundlage der zerstörerischen Realitäten im Kleinen wie im Großen sein.

Schwierige Familienverhältnisse: Bürgerliches Fassade, Trauma und Inzucht dahinter

Die Herkunftsfamilie des jungen Adolf Hitler weist viele Besonderheiten auf. Manche Biographen bezeichnen diese als kompliziert, bisweilen taucht auch der Begriff unklar und diffus oder inzestuös auf. Klar ist zumindest, dass beide Elternteile genetisch verwandt waren. Die Herkunft des Vaters war lange unklar bzw. wurde gezielt verschleiert. Der österreichische Historiker Roman Sandgruber (2021) hat dabei die Rolle des Vaters vor dem Hintergrund jüngst gefundener Briefe weiter aufhellen können.

Nach heutiger Betrachtung handelt es sich durch den Tod der beiden ersten Ehefrauen von Alois Hitler (ursprünglich „Schicklgruber“) bei den Hitlers um eine komplexe Stieffamilie. Der älteste Sohn Alois jun. (1882 – 1956) hatte besonders intensive Konflikte mit dem oft unbeherrschten Vater und verließ die Familie noch vor dem Tod des Vaters 1903, letztlich um dann ein noch unsteteres Leben mit kleinkriminellen Delikten zu führen als dieser. Er entwickelte eine chronische Alkoholproblematik und übte viel familiale Gewalt aus.

Alois Hitler heiratet dreimal und zeugt viele Kinder 

Die psychosoziale Entwicklung des Adolf Hitler ist ohne seine komplizierten Familienverhältnisse jedoch nicht zu verstehen. Allerdings kann auch – vor dem Hintergrund der Entwicklung des Halbbruders Alois jun. – ein genetisch transmittierter Hang zur Antisozialität und Psychopathie nicht ausgeschlossen werden. Zunächst soll jedoch der Blick auf die Mutter des späteren Diktators gelenkt werden. Wie bei jedem Menschen steht die Mutter, was Entstehung, Geburt und Bindung angeht, in einer einzigartigen Position.

Von zentraler Bedeutung für den Lebensweg des Adolf Hitler sind die Ereignisse seiner Kinderjahre rundum Mutter Klara (1860 – 1907) und Vater Alois (1837 – 1903).  Klara war die dritte Ehefrau des Zollbeamten Alois, der als Kind aus unehelichen Verhältnissen eine respektable Karriere im k.u.k.-Zolldienst erreicht hat. Alois war insgesamt dreimal verheiratet, dürfte aber wegen vieler sexueller Affären mit Dienst- und Hausmädchen neben acht Kindern in den drei Ehen weitere Kinder gezeugt haben. Klara war 23 Jahre jünger als der Kindsvater und im Übrigen mit dem späteren Ehemann blutsverwandt.

Da sich die Verwandtschaftsbeziehungen in der Herkunftsfamilie, die aus dem abgelegenen niederösterreichischen Waldviertel stammt, nicht mehr vollständig aufklären lassen, war sie entweder die Tochter eines Cousins von Alois Hitler (bei Vaterschaft Johann Georg Hiedlers), oder aber dessen Nichte (bei Vaterschaft Johann Nepomuk Hüttlers). Letzteres gilt als wahrscheinlicher, so dass es sich um eine inzestuöse eheliche Verbindung gehandelt haben dürfte. In diesem Fall wäre Adolf Hitlers Mutter zugleich seine Cousine gewesen. Die Erlaubnis zur Eheschließung erfolgte nach Einholung eines kirchlichen Dispenses – wohl unter teilweise falschen Angaben – wegen der engen Verwandtschaftsverhältnisse. Solche Sondergenehmigungen waren in den Dörfern des Waldviertels durchaus üblich. Dabei war Klara schon zu Lebzeiten der zweiten Ehefrau Franziska Matzelsberger (1861 – 1884), die am Ende schwer erkrankte, von Alois Hitler schwanger. 

Adolf Hitler – ein Muttersöhnchen?

Nach dem frühen Tod der zweiten Ehefrau des Alois Hitler heiratete Klara, die schon von Alois schwanger war, ihn noch vor der Geburt ihres ersten Kindes. Aus der Ehe entstammten sechs Kinder, von denen aber nur zwei (Adolf und Paula) die Kindheit überlebten.

Hitlers Mutter Klara hat ihren Sohn Adolf vergöttert und verwöhnt. Seine zwei älteren Geschwister starben kurz vor seiner Geburt, so dass er in der realen Geschwisterreihenfolge der Älteste war. Aufgrund der Todesfälle bei den Kindern hat die Mutter wohl stets gefürchtet, auch ihn, ihr drittes Kind, zu verlieren. Sie hat mit ihrer dependenten, überprotektiven Liebe zu Adolf außerdem eine komplementäre Beziehung zu dem strengen, oft tyrannischen und gewalttätigen Vater Alois gebildet. Letztlich ist Adolf zwischen den extrem unterschiedlichen Persönlichkeitstypen und Bedürfnissen der Eltern trianguliert worden. Beim Vater Disziplin: absoluter Gehorsam, Gefühlskälte; bei der Mutter: Grenzenlosigkeit, Verwöhnung, Abhängigkeit. Die Mutter habe den Sohn nicht vor den Züchtigungen des Vaters schützen können, ihn aber zum Ausgleich und aus schlechtem Gewissen für ihre Ohnmacht gegenüber dem gewalttätigen Vater überhöht und idealisiert. Auf jeden Fall ist die Beziehung zu beiden Elternteilen von extremen Unterschieden und der hohen intrafamilialen Spannung gekennzeichnet.

Vater Alois Hitler – ein brutaler Schläger?

Die meisten Quellen zeigen Einigkeit, dass der Vater oft heftiger zugeschlagen hat, als dies zu jener Zeit in der väterlichen Erziehung ohnehin üblich war. Dadurch, dass körperliche Züchtigung der Kinder zu dieser Zeit die Regel und nicht die Ausnahme darstellte, sind manche Zeugenaussagen und Quellen wahrscheinlich noch insofern gefärbt, als dass sie die väterliche Gewalttätigkeit in der Kindererziehung wohl nicht ernst genug nehmen. Umso mehr zählen die Aussagen, welche die besondere Brutalität und aggressive Impulsivität des Vaters betonen. 

Auch der Halbbruder Alois jun., der auch selbst sehr unter der Gewalt des Vaters gelitten hat und der ein schlechtes Verhältnis zu dem sieben Jahre jüngeren Adolf hatte, berichtete, dass der jähzornige Vater Alois den Adolf in der Kindheit einmal so heftig geschlagen habe, dass er gefürchtet habe, der Knabe sei tot. 

Hitlers Vater habe wohl einmal nach den Erinnerungen des Hitler-Biographen Jetzinger gesagt: „Der Mistbub, der elende, derschlagen tu ich ihn noch“. Dieser Ausruf, dessen Wahrheitsgehalt alleine schon aufgrund der obigen Aussage des ältesten Sohnes Alois jun., dass der Vater wenigstens einmal befürchtet habe, dass er den Knaben tatsächlich totgeschlagen habe, kaum zu bezweifeln ist, verdeutlicht den jähzornigen, impulskontrollgestörten Charakter des Alois Hitler. Im starren k.u.k – Beamtensystem der Zollbehörden fand der psychisch labile Alois Hitler einen starken Halt. Dort verhielt er sich pedantisch und überkorrekt, so dass seine Unruhe und Umtriebigkeit wenigstens teilweise gedämpft wurden. Im Familienleben, wo er aufgrund seines Status der formale Herrscher war, zeigte er seine unkontrollierte, explosive Seite. 

Die Härte und Brutalität des Vaters hinterlassen deutliche Spuren – Adolf Hitler als Kind eines gewalttätigen Alkoholikers

Adolf hat die Brutalität des Vaters in den Züchtigungssituationen nie vergessen und dies auch gegenüber seiner Sekretärin Christa Schroeder (1908 – 1984) bestätigt, indem er einmal sagte: „Meinen Vater habe ich nicht geliebt, dafür aber umso mehr gefürchtet. Er war jähzornig und schlug sofort zu“. So gibt es eine ganze Reihe von Zeugen aus der Familie und dem sozialen Umfeld, die die besondere Härte und Brutalität des Vaters in der Erziehung bestätigen. Und diese Brutalität geht offenbar über das in jener Zeit übliche Maß an Gewalt hinaus. Ob dies letzten Endes Ausdruck einer sadistischen, dissozialen und psychopathischen Persönlichkeit war, wird nicht letztendlich zu beantworten sein, kann aber durchaus angenommen werden.

Für das Ausüben einer nur auf Dominanz und Herrschaft abzielenden Vaterschaft erscheinen die schweren Exzesse bei der Gewaltausübung nicht passend. Alois Hitler zeigte darüber hinaus auch durch zahlreiche Liebschaften über viele Jahre hinweg die Züge eines narzisstischen, psychopathischen, wenig bindungsfähigen Mannes. Dabei hatte er offenbar auch wenig moralische Skrupel, indem er etwa Klara Pölzl, seine spätere dritte Ehefrau, schwängerte, als seine zweite Ehefrau schwer an Tbc erkrankt war und dem Tode geweiht war.

Die Umstände rund um den Tod des Vaters im Wirtshaus

Der Hitler-Biograph und Freund aus Schulzeiten August Kubizek (1888 – 1956), der während der gemeinsamen Schuljahre von 1904 bis 1908 eng mit Adolf Hitler befreundet war, schrieb in seiner Hitler-Biographie (2002), dass Hitlers Vater Alois streng, sprunghaft und oft unberechenbar gewesen sei. Zum großen Teil entstammt dies sicher der Schilderung durch den Knaben Adolf. Über seine Alltagsroutinen berichtet er, dass Alois auch am 3. Jänner 1903 – wie an jedem Tag – „pünktlich um zehn Uhr in das benachbarte Gasthaus“ gegangen sei, „um seinen Frühschoppen zu trinken“.

Ganz entgegen den üblichen Abläufen geschah dann aber das Überraschende: „Plötzlich sank er lautlos vom Stuhl. Ehe ein Arzt oder Priester kommen konnte, war er tot“. Der Vater ist somit im Alter von 65 Jahren, äußerlich rüstig, plötzlich und überraschend an seinem Lieblingsort dieser Tage gestorben. Dass die innerliche Konstitution schon längst nicht mehr gesund war, erschließt sich erst bei Berücksichtigung der pneumologischen Komplikationen aus den Vorjahren und des erheblichen psychophysiologischen Abbaus, vermutlich infolge des chronischen Alkoholmissbrauchs.

Hitler – ein emotional verwahrlostes Kind eines alkoholischen Vaters?

Der Vater Alois wird – wie schon beschrieben – in vielen Quellen als streng, oft tyrannisch und unnahbar beschrieben. Er sei unduldsam, unbeherrscht und unstet gewesen. Die offene Frage ist nun, inwieweit diese Gewaltexzesse durch den Alkoholkonsum gedämpft oder verstärkt wurden. Beides ist aus der Alkohol- und Suchtforschung bekannt. In seinem teils autobiographischen, teils politisch hetzerischen Buch „Mein Kampf“ schreibt der Sohn ausführlich über den Vater und den Alkohol.

„Übel aber endet es, wenn der Mann von Anfang an seine eigenen Wege geht und das Weib, den Kindern zuliebe, dagegen auftritt. Dann gibt es Streit und Hader, und in dem Maße, in dem der Mann der Frau nun fremder wird, kommt er dem Alkohol näher. Kommt er endlich Sonntag oder Montag nachts selber nach Hause, betrunken und brutal, immer aber befreit vom letzten Heller und Pfennig, dann spielen sich oft Szenen ab, dass Gott erbarm. In Hunderten von Beispielen habe ich dies alles erlebt, anfangs angewidert oder wohl auch empört, um später die ganze Tragik dieses Leidens zu begreifen, die tieferen Ursachen zu verstehen. Unglückliche Opfer schlechter Verhältnisse.“

In diesem Abschnitt generalisiert Adolf Hitler seine Erfahrungen und spricht aus einer allgemein belehrenden Perspektive. Er vermeidet damit, die persönliche Betroffenheit und Verletztheit mit spürbaren Emotionen darzustellen. Letzten Endes dürften diese Meinungen aber nicht aus einem abstrakten Wissen über Alkoholwirkung, sondern aus den eigenen Vater-Sohn-Erfahrungen entstammen. Es kann dabei durchaus zutreffen, dass der Vater unter stärkerem Alkoholeinfluss ruhiger, weniger aggressiv und sediert wurde.

Scham und Angst prägen das innere Bild vom trinkenden Vater 

Wie die Wiener Historikern Brigitte Hamacher in ihrer Hitlerbiographie „Hitlers Wien“ 1998 berichtete, hatte Adolf Hitlers Vater Alois wohl ein ernsthaftes Alkoholproblem. Zu seinem Vertrauten, dem Juristen und späteren Generalgouverneur in Polen, Hans Frank, soll Hitler gesagt haben: „Da musste ich als zehn- bis zwölfjähriger Bub immer spätabends in diese stinkende, rauchige Kneipe gehen. Ich trat dann immer ohne jede Schonung auf, trat an den Tisch, wo mein Vater saß, und mich stier anschaute, und rüttelte ihn. Dann sagte ich: `Vater, du musst jetzt heim! Komm jetzt, wir müssen gehen`. Und oft musste ich gleich eine viertel oder halbe Stunde betteln, schimpfen, bis ich ihn endlich so weit hatte. Dann stützte ich ihn und brachte ihn heim. Das war die gräßlichste Scham, die ich je empfunden habe. […] Ich weiß, was für ein Teufel der Alkohol ist! Er war – über meinen Vater – eigentlich mein größter Feind in meiner Jugend“. Der stark betrunkene Vater scheint also seine aggressiven – und wie später noch aufgezeigt wird auch sexuellen – Impulse mit Alkohol gedämpft zu haben. Ohne oder mit weniger Alkohol – so lehren es viele klinische Fälle aus der Suchtforschung – war er dann hinsichtlich seiner Aggressivität gefährlicher. 

Die genauen und sehr lebendigen Schilderungen des jungen Adolf, wiedergegeben von einem Vertrauten nach vielen Jahrzehnten, sprechen eindringlich dafür, dass sich hier tiefe Spuren in die Erinnerungen eines Kindes gegraben haben. Die Schilderungen ähneln darüber hinaus denen anderer betroffener Kinder so sehr, dass es unwahrscheinlich ist, dass sie der Phantasie des Knaben oder später des erwachsenen Mannes entsprungen sind. Die innere Leere und Ohnmachtsgefühle hat er durch gewalttätige Fantasien und aufgesetzte dominante und später martialische Posen kompensiert. 

Ohnmachtsgefühle und Allmachtsstreben liegen eng beieinander

Phantasiewelten bauen sich erfahrungsgemäß oft erst als Reaktion auf Ohnmachtsgefühle, Traumatisierung und Beschämung in den kindlichen mentalen Erlebenswelten auf. Der intensive Konflikt zwischen Liebe und Hass für den Vater wird durch die väterlichen Wesensveränderungen unter Alkoholeinfluss gerade erst geschürt. Die Verhaltensweisen des Vaters dürften unberechenbar, schnell veränderlich und instabil, also alles in allem in hohem Maße volatil, gewesen sein. 

In all diesen Hinsichten wäre Adolf Hitler ein nicht untypisches Kind eines alkoholischen Vaters: Schamgefühle, Abscheu, Ängste, viele ambivalente Emotionen zwischen Hass und Liebe. Auch auffällig in diesem Zusammenhang ist die spätere Alkoholabstinenz Hitlers, was für Männer der damaligen Zeit ein sicher ungewöhnliches Merkmal war. Zunächst scheint er jedoch in den Wiener Jahren, die von Bindungs- und Ruhelosigkeit geprägt waren, durchaus Alkohol und Tabak konsumiert zu haben. Auch während seiner Festungshaft in Landsberg 1924-1925 hat er regelmäßig Alkohol konsumiert. Dass er selbst dann ab 1937 drogenabhängig wurde, wie die medizinhistorischen Recherchen von Norman Ohler zeigen, ist in diesem Zusammenhang nicht ungewöhnlich. 

Die Wesensarten des tyrannischen Vaters perfektionieren sich im Sohn

Erst in späteren Jahren, durch die Traumatisierung im 1. Weltkrieg und die sich wiederholenden Ohnmachtserfahrungen im Lazarett in Pasewalk und in den ersten Nachkriegsjahren (1918-1919), hat sich in dem überlebenden Kind und Veteranen mehr und mehr eine monströse Erwachsenenpersönlichkeit entwickelt. Diese baute jedoch auf den Anlagen aus Kindheits- und Jugendtagen auf. So wurde er mindestens ebenso tyrannisch, narzisstisch und psychopathisch wie der Vater, und konnte als ein durch Scham und Anpassungsgeschick sozialisiertes Kind eines Alkoholikers die Chancen der chaotischen Nachkriegsjahre instinktsicher und intuitiv mit schauspielerischem Talent zur Anpassung nutzen. Insofern baut die in den 30-er Jahren zutage getretene Persönlichkeit des Adolf Hitler bis zu seinem Suizid 1945 klar auf den Wesenszügen des Vaters (Psychopathie, Gewissenlosigkeit, Skrupellosigkeit) auf, aber vertieft und perfektioniert diese obendrein noch.

Die immer wieder beschriebene Alkoholgegnerschaft von Adolf Hitler mag ihre Wurzeln in den beschämenden Situationen mit dem betrunkenen Vater gehabt haben. Er hat darüber hinaus nach und nach die Fähigkeit entwickelt und perfektioniert, sich an sich selbst, seinen Reden und später den verbrecherischen Taten zu berauschen. Die Zustände in den frühen Jahren der Weimarer Republik waren systemisch passgenaue Äquivalente zu den chaotischen, volatilen und brutalen Zuständen aus seinen frühen Familienjahren. Die Außenwelt hatte eine hohe Kongruenz zu seinen innerweltlichen Erfahrungen angenommen.

Adolf Hitler – Ein Meister der Täuschung

Wie insbesondere der Hitler-Biograph Volker Elis Pilgrim (2018) aufzeigt, war Hitler ein Meister der Täuschung und chamäleonhaften Anpassung. Diese Fähigkeiten gehören zur narzisstischen ebenso wie zur antisozialen Persönlichkeit, sind aber auch häufig typische Merkmale von Kindern aus gewalttätigen und suchtbelasteten Familien. Im weitesten Sinne sind es Überlebenskünste aus einer äußerst bedrohlichen kindlichen Umwelt. Aber er wurde wohl vor allem durch die beschämende Familiengeschichte sowie die Krieg- und Nachkriegsereignisse zum genial-manipulativen Täuscher und Blender.

Historisch zeigt sich dies an vielen Stellen – in seinen vielen Reden und Taten ab den frühen 20er-Jahren, 1936 bei den Olympischen Spielen in Berlin, 1938 beim Münchner Vertrag und vor allem in den Kriegsjahren. Im privaten Bereich wird diese Tendenz nicht minder groß gewesen sein. So sind die Aussagen Hitlers in seinem Buch „Mein Kampf“ und gegenüber anderen mit Vorsicht zu genießen, weil sie auch Ausdruck des Taktierens, Manipulierens und Lügens waren. Die amerikanische Sucht- und Familienexpertin Janet Woititz hat in ihren Büchern immer wieder betont, dass erwachsene Kinder von Alkoholikern bisweilen hartnäckig lügen, auch wenn es sogar leichter wäre, die Wahrheit zu sagen. Sie haben bisweilen den Realitätsbezug verloren und können – ohne psychotisch zu sein – den Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge nicht mehr erkennen. Diese Merkmale dürften bei Adolf Hitler auf jeden Fall erfüllt sein. 

Hat die Hitler-Forschung etwas Wichtiges übersehen?

Bei der inzwischen vorliegenden Flut von Hitler-Biographien erscheint es müßig, all dem noch etwas hinzufügen zu wollen, zumal kaum neue Quellen zur Verfügung stehen. Ich meine dennoch, dass etwas Wichtiges in der Frühgeschichte des Knaben Adolf bislang hinsichtlich seiner Relevanz übersehen bzw. vernachlässigt wurde. Aus der Forschung zu Kindern in alkohol- und gewaltbelasteten Familien ist bekannt, dass diese – ganz im Sinne einer psychischen Anpassung und eines Bewältigungsversuchs – zu Spaltungen, Tagträumereien, narzisstischen Größenphantasien, täuschender Schauspielerei und manipulativem Verhalten neigen. Wie stark diese einzelnen Verhaltensmuster sich ausprägen, hängt von den genetischen Vorgaben und stark den realen Lebensbedingungen und –ereignissen ab. Hier dürften die inneren und äußeren Bedingungen der Jahre 1907 (Klara Hitlers Tod) bis 1918 (Kriegsende) neben den frühen Kindheitserfahrungen eine wichtige, verstärkende Rolle gespielt haben.

Bindungstheorie und Hitlers Entwicklung

Der Lebensweg Adolf Hitlers ist in keiner Weise vorbestimmt gewesen. Er hat selbst Entscheidungen getroffen, die größtes Unheil über die Menschheit brachten und bis heute unser Leben beeinflussen. In vielerlei Hinsicht war er Treiber und nicht Getriebener. Bedenkt man jedoch die Wichtigkeit frühkindlicher Prägungen, unbewusster Handlungen und psychischer Prozesse, so sollten die jeweiligen Einflüsse gewürdigt werden.

Die Bindung zur Mutter war – nach allem was bekannt ist – eng und intensiv. Dies spricht aber nicht unbedingt für eine sichere Bindung. Durch die häuslichen Abläufe, die früh verstorbenen Geschwister, die Gewalttätigkeit des Vaters, die vielen Umzüge, kann die Sicherheit der Bindung zur Mutter auch fragil oder unsicher geworden sein. Auch die anklammernde Liebe der Mutter spricht dafür, dass ihre Zuneigung nicht selbstlos und frei war, sondern von ihren eigenen Dependenz- und Kontrollbedürfnissen getrieben war. Noch problematischer dürfte die Bindung zum Vater gewesen sein, der – mit viel Angst vor Nähe – den Knaben nicht ins Herz schließen konnte, sondern auf disziplinierter Distanz hielt. Nähe wurde oft in Schlägen und Gewalt ausgeübt.  Der starke Aggressionstrieb gegenüber Feinden und Hassobjekten sprechen für eine nicht bewältigte Vaterbeziehung. 

Anpassungsgeschick wie ein Chamäleon und Lügengebäude gehören zusammen

Der Junge hat früh gelernt, sich äußerlich anzupassen, punktuell zu provozieren, z.B. in Streichen gegenüber dem Vater, zu lügen, seine homoerotischen Impulse zu verstecken oder umzulenken und sich nahezu perfekt martialisch und protomännlich zu inszenieren. Der Rausch an sich selbst und seiner Exzessivität spielte ab den 1920-er Jahren eine besonders wichtige Rolle. Sein schon erworbenes Anpassungsgeschick hilft ihm über die Jahre des 1. Weltkriegs. In den Nachkriegsjahren bieten sich ihm im Chaos des Münchens mit Revolution, Revolten und bürgerkriegsähnlichen Zuständen hervorragende Chancen, durch Lug und Trug als Demagoge und Volksverführer Karriere zu machen. 

Die amerikanische Suchttherapeutin Janet Woititz, die sich in ihrem Lebenswerk intensiv mit erwachsenen Kindern suchtkranker Eltern befasst hat, betont, dass diese oft ein vorauseilend-angepasstes Verhalten an ihre Umwelt zeigen, ein intensives Phantasieleben entwickeln können, voller Selbst- und Fremdhass sind und die Emotionen und Nonverbalität anderer sehr gut und intuitiv clever dechiffrieren können. In ihren Kindheitskontexten sind dies Überlebensmechanismen gegenüber Gewalt und Unberechenbarkeit. Im Erwachsenenalter können diese Fähigkeiten auf Irrwege und zu chronischen Fehlentwicklungen führen. Über Kinder gewalttätiger Eltern sind ähnliche Folgen bekannt. Die Koinzidenz von Sucht und Gewalt ist häufig und erschwert die gesunde psychische Entwicklung von Kindern in hohem Maße. 

Die Entwicklung des intuitiven Manipulators der Massen: Zocker, Psychopath auf dem Weg zur Allmacht statt Ohnmacht

Kein Mensch ist alleine in der Lage, die monströsen Verbrechen der Nazi-Diktatur anzuzetteln und durchzuführen. Gerade in der Verführung und Manipulation der Massen lag aber die besondere Fähigkeit des Adolf Hitler. Er muss bei seinen Menschenfänger-Aktionen in den frühen 20-er Jahren extrem viel extrem schnell gelernt und internalisiert haben. Er hat dann die Dosis der adressierten Menschenzahlen schrittweise erhöht: Von Kleingruppen, Straßenansammlungen, zu Brauhausversammlungen, zu Parteitagsversammlungen auf dem riesigen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg bis zu den massenmedialen Radioansprachen via Volksempfänger. Dosissteigerung bis zur Berauschung! Wieder ein suchttypisches Phänomen. Aus seiner Familiengeschichte heraus blieb ihm nur der Weg zwischen Opfersein und Täterschaft.

Wenn der Hitlerbiograph Volker Ullrich (2019) meint, die Kindheitsgeschichte sei nicht außergewöhnlich für die damalige Zeit gewesen und die psychoanalytischen Erklärungsansätze zur Persönlichkeitsentwicklung des späteren Diktators seien irreführend, so gilt dies nur, wenn man die Dynamik von Ohnmacht und Macht, von Rausch und Ekstase außer Acht lässt bzw. nicht versteht. In der Hitler-Familie spielte neben dem Inzest die Sucht eine so große Rolle, dass dies nicht übersehen werden sollte. Adolf Hitler erregte sich am Risiko, dem Zocken mit politisch-militärischen Abenteuern und nicht zuletzt dem Töten und Sterben der Massen. Es war eine extrem komplementäre Welt, der er entstammte.

Vater und Mutter, Leben und Tod, Krieg und Frieden, arm und reich… all diesen Gegensätzen war er immer wieder aufs Schärfste ausgesetzt und hat sie später selbst produziert. Genauso war es mit der Wahl zwischen Ohnmacht und Allmacht. Nachdem er in allerlei Mikrosituationen mit jeweiliger Verstärkung immer intensiver seine Wirkung auf Menschen gespürt und die notwendigen Methoden, Intonation, Gesten und Mimik perfektioniert hatte, konnte er seine sadistischen und gewalttätigen Hass- und Vernichtungsphantasien immer offener und weiter ausleben. Die chaotischen Zeitläufte in den Jahren 1919 bis 1923 spielten seiner zunächst noch nicht voll entwickelten psychopathischen Persönlichkeit voll und ganz in die Hände.

Adolf Hitler – der sich selbst berauschende Zocker und Narzisst 

Seine eigenen Reden, die Aufmärsche, die anfänglichen militärischen Erfolge, die Macht über seine Opfer in den KZs, all das hat ihn in immer wieder in rauschartige Zustände versetzt. Von Kleingruppen bis zu riesigen Massenaufmärschen entwickelte sich sein Rauschszenario mit täglichen Exzessmöglichkeiten im Denken, Reden und Handeln. Hitlers Auftritte in den frühen 20-er Jahren wirken wie eine Angst- und Selbstsicherheitstherapie, die er sich selbst zukommen ließ. Er wandelte sich vom scheuen, linkischen Mitläufer zum charismatischen, manipulativen Redner und Führer. Hinzu kommt eine unübersehbare Spieler- und Zockermentalität. Die Besetzung der Tschechoslowakei 1939, der Überfall auf Polen 1939, der Feldzug gegen Frankreich 1940, der Überfall auf die Sowjetunion 1941, die Kriegserklärung an die USA 1941: Immer wieder waren es Risikospiele mit ungewissem Ausgang.

Der Spieler, der anfangs viel gewinnt, wird häufiger zum riskanten Spieler als der, der anfangs schon verliert. Verliert er dann bei seinem riskanten Spiel, beginnt er den Verlusten zwanghaft hinterherzulaufen, bis – oft erst nach langer Zeit – der völlige Zusammenbruch erfolgt. Dies geschieht dann meist durch äußere Umstände. So wurde er im Laufe der Zeit – noch viel mehr als sein Vater – ein Meister der Berauschung. Während der Vater sich mit der Beherrschung von Untergebenen, der Verführung von Dienst- und Hausmädchen und der Gewalt in der Familie und schließlich dem regelmäßigen Trinken berauschte, waren es bei Adolf zunächst die Männerbanden der Freicorps, dann die Männer der NSDAP, der SA und später der Reichswehr. Schließlich dienten auch die Emotionen der Selbstberauschung – vor allem intensive, immer unkontrolliertere Hassgefühle. Diese bezogen sich auf Minderheiten mit Sündenbockfunktion: Auf die Juden, Kommunisten, Andersdenkende und alles, was sich ihm in den Weg stellte.  

Dosissteigerung und Toleranzerhöhung bei Risikoverhalten und Hassemotion 

Der Einsatz musste immer höher und die Gefühle immer intensiver werden, um das Verlangen nach Berauschung zu erfüllen. Dieser Effekt ist als Toleranzerhöhung bzw. Dosissteigerung aus der Suchtforschung bekannt. Die Dosissteigerung bezieht sich auf Menschenmanipulation, Militäraufmärsche, Hassgefühle, Zockereien mit Risiken und schließlich Eroberungen, Zerstörungen und das die Lust am millionenfachen Tod und der industriellen Ermordung der Juden und anderer Minderheiten und Gegner. In Filmszenen der Wochenschauen lässt sich die Freude an Manipulation, Zerstörung und Ermordung hervorragend nonverbal ablesen. Adolf Hitler ist insofern, wie auch Pilgrim argumentiert, eine neue Form des Massenmörders. Er legt nicht selbst Hand an, sondern lässt das Mordwerk ausführen. Er wurde zum größten industriellen Massenmörder aller Zeiten. Die Vorstellung, der größte Menschenvernichter der Geschichte zu sein, gerade gegenüber den mit exzessivem Hass überzogenen Juden und anderen Gruppen, muss ihn ekstatisch erregt haben. 

Schluss: Rausch, Ekstase und Sucht sind wichtiger, als es die Hitler-Biographik bislang erkannt hat

Die Verbrechen, die Adolf Hitler mit seinen Schergen und Mitläufern begangen hat, sind monströs und wirken bis heute fort. Ob er unter anderen familiären und historischen Bedingungen des Aufwachsens eine andere Entwicklung genommen hätte, darf angenommen werden. Das Schicksal bietet viele Weggabelungen und Abzweige. Die Konstellationen in seinem Leben lassen sich im Nachhinein heutzutage weitgehend rekonstruieren und plausibel erscheinen. In der Voraussicht hat kaum jemand bis zu seinem 30. Lebensjahr (1919) die spätere Entwicklung vorausgeahnt. Viele erst Jahre später.

Dennoch sind die Spuren in der Kindheit deutlich, auch wenn sie noch viele weitere Entwicklungspfade zugelassen hätten. Zufälle und historische Gegebenheiten spielen eine entscheidende Rolle, damit die dysfunktionale Saat aufgehen und sich in die bekannte Richtung entwickeln konnte. Mit dem vorliegenden Beitrag wird der Fokus erstmalig auf die Rolle von Rausch, Ekstase und Sucht in der Herkunftsfamilie und im Leben des Adolf Hitler gelenkt. Adolf Hitler ist – ohne seine Taten exkulpieren zu wollen – ein Fall einer sich über Jahre eskalierenden Verhaltenssucht vor dem Hintergrund einer dystopischen Herkunftsfamilie. Diese allzu menschlichen Phänomene sollten nicht übersehen oder geringgeschätzt werden. Sie sind oft zentrales Motiv und Triebfeder bei Sexualität, Gewalt und Zerstörung.

Literatur: 

Frank, Hans (1953). Im Angesicht des Galgens. München: Friedrich Alfred Beck Verlag.

Hamann, Brigitte (1998). Hitlers Wien. Lehrjahre eines Diktators. München: Piper.

Kubizek, August (2002; Erstausgabe 1953). Adolf Hitler, mein Jugendfreund. Graz: Leopold Stocker.

Pilgrim, Volker Elis (2018). Hitler 1 und Hitler 2.  Von der Männerliebe zur Lust am Töten. Hamburg: Osburg. 

Sandgruber, Roman (2021). Hitlers Vater. Wie der Sohn zum Diktator wurde. Wien: Molden. 

SPIEGEL (1967). Dichte Inzucht. Heft 31/1967 vom 23.07.1967.

Ullrich, Volker (2019). Hitler. Die 101 wichtigsten Fragen. München: C.H. Beck. 

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