Entwicklungsaufgaben & Weiterentwicklung der Suchthilfe in Deutschland

Im vorliegenden Beitrag beschäftige ich mich mit der sehr speziellen Geschichte der Suchthilfe in Deutschland mit starken Bezügen zur Gegenwartssituation und den künftigen Anforderungen an ein gelingendes und evidenzbasiertes Suchthilfesystem. Unsere Suchthilfe gilt als sehr leistungsfähig und differenziert. Im Sinne der Evidenzbasierung gibt es dafür aber – speziell für den ambulanten Bereich – wenig Belege. Dieses Defizit – zusammen mit zahlreichen Anforderungen bezüglich der Zukunftssicherung – werden im folgenden Beitrag dargelegt.

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Einleitung

Das Jahr 1990 markiert eine starke historische Zäsur in der deutschen Geschichte, vordergründig durch die deutsche Wiedervereinigung markiert. Aber auch für viele globale, gesellschaftliche und soziale Fragen wird immer deutlicher, dass die Jahre des ausgehenden 20. Jahrhunderts eine Wendezeit waren, die erst durch die Corona-Pandemie des Jahres 2020 in eine neue Epoche tritt. Entsprechende Stichworte der neuen Epoche sind Digitalisierung (Online-Beratung, Künstliche Intelligenz, Soziale Onlinenetzwerke), die Krise der Demokratie, neue Migrations- und „Flüchtlingswellen“, Gendergerechtigkeit und manches mehr. Auch für den in diesen Kontexten beschaulich erscheinenden Bereich der Suchthilfe bringt der Zeitraum der letzten 30 Jahre und die Gegenwart einen weitreichenden Paradigmenwechsel, der jedoch in vielen Köpfen bisher noch nicht nachhaltig genug angekommen ist.

Stationär vor ambulant – Ein deutscher Sonderweg

In den Prinzipien der Suchthilfe des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts sind unschwer die bis heute fortwährenden Wurzeln der Dominanz des stationären Bereiches in der deutschen Suchthilfe und die Fokussierung auf Arbeits- und Erwerbsleben, u.a. mit arbeitstherapeutischen und beschäftigungsfördernden Maßnahmen, zu erkennen. Obwohl die Leistungsträger schon seit den 1990er Jahren das Handlungsprinzip „ambulant vor stationär“ betonen, sieht die Praxis der Suchtrehabilitation mit immer noch ca. zwei Dritteln stationärer Behandlungen von allen ca. 70.000 Suchtrehabilitationsbehandlungen nach wie vor anders aus. Außerdem ist der von den Sozialleistungsträgern (Renten- und Krankenversicherung) finanzierte Bereich der Suchthilfe nach wie vor rigide auf das Behandlungsziel Abstinenz fixiert, was nicht mehr dem heutigen Stand der Forschung entspricht.

Stärkung der ambulanten Hilfen noch nicht stark genug

Ein besonders wichtiger – aber noch nicht umfassend genug umgesetzter -Trend in der Entwicklung der Suchthilfe ist die Konzentration auf primär ambulante Hilfen. Diese haben den Vorteil der Lebenswelt- und Alltagsnähe und lassen sich auch gut mit kurzfristigen stationären Angeboten, z.B. zum Entzug, kombinieren. Suchthilfen sollten so wenig wie möglich stationär durchgeführt und so oft wie möglich ambulant angeboten werden. Ambulante Hilfen bieten neben Kostenvorteilen die Chance, alltagsnahe Therapien und Hilfen mit Transfer- und Trainingsbezügen anzubieten, die sich für Suchtkranke günstig auswirken, Rückfälle vermeiden und Stabilisierungen fördern können. Die Qualität und Effizienz der Arbeit der Suchtberatungsstellen sollte weiter kontinuierlich durch Evaluation, Begleitforschung, Qualifikation und Weiterbildung gesteigert werden.

Suchthilfe muss spezifisch und unspezifisch zugleich sein

Die weitere Entwicklung der Suchthilfe braucht eine Öffnung für Suchtgefährdete,Suchtkranke und chronisch Kranke. Suchthilfe muss das gesamte Spektrum von der Suchtgefährdung bis zur chronischen Suchterkrankung abdecken. Es bedarf einer umfassenden Qualifikation der Fachkräfte sowohl im Bereich der Substanzkunde und Psychopharmakologie als auch hinsichtlich relevanter Translationsthemen, wie psychische Komorbidität, Teilhabeförderung und Genderfragen. Dazu folgen in den nächsten Kapiteln nähere Ausführungen.

Probleme des aktuellen Suchthilfesystems

Das Suchthilfesystem ist nach wie vor in weiten Teilen wenig innovativ und sehr beharrlich. Dies zeigt sich an den Schwierigkeiten, notwendige und wichtige Innovationen, wie ehedem Substitution, niedrigschwellige Hilfen und Akzeptanz von Rückfälligkeit in der Behandlung oder aktuell differenzierte Therapieziele, zieloffene Suchttherapie, Komorbiditätsbehandlung und Digitalisierung innovativ und frühzeitig – auch gegen Widerstände – durchzusetzen. Ein Grundproblem der Suchthilfe in Deutschland ist das Fehlen systematischer Suchthilfeforschung, vor allem im Hinblick auf Prozesse und Resultate. Allein der stationäre Rehabilitationsbereich hat unter den Vorgaben der Rehabilitationsträger schon frühzeitig eine evidenzgenerierende Forschung durch Begleit- und Prozessforschung sowie Katamnesen etabliert.

Was Suchthilfe sein sollte und könnte

Im Idealfall sollte die Suchthilfe ein evidenzbasiertes, forschungsfreundliches, selbstreflexives System von Handlungsstrategien sein, in dem auf der Basis humanistischer, verhaltenspsychologischer und tiefenpsychologischer Konzepte Menschen umfassend hinsichtlich Substanzkonsum, Selbstkontrollstrategien, Konsumreduktionen und Abstinenzerwerb beraten und behandelt werden. Dabei sollten Prävention und Therapie generationenübergreifend eng miteinander verzahnt sein.

Bio-psycho-soziales Verstehen und Handeln sind gefragt

Gesundheitsförderung, Risikoreduktion und Wiederherstellung der psychischen Gesundheit sollten genauso wichtige Anliegen der Suchthilfe sein wie die Vermeidung bzw. Loslösung aus Wohnungslosigkeit, Armut und Langzeitarbeitslosigkeit. Insofern erfordert die Suchthilfe – mehr als andere Themenfelder – bio-psycho-soziales Verstehen und Handeln, das die verschiedenen Sets und Settings der Konsumenten und Abhängigen und ihrer Angehörigen stets im Blick hat. Dies ist neben bestimmten beruflichen Qualifikationen nur durch interdisziplinäre Kompetenz erreichbar.

Hintergründe von Substanzkonsum empathisch verstehen – der Weg zu suchtspezifischer Empathie

Substanzkonsum sollte nicht – weder offen noch verdeckt – dämonisiert oder stigmatisiert, sondern immer als mögliche Verhaltensoption von Menschen in einem zu verstehenden Kontext gesehen werden. Dafür ist die interdisziplinäre Qualifikation der Fachkräfte besonders wichtig. Suchtkrankheiten sind eine Erkrankung des Gehirns, wie etwa die Experten von NIDA (National Institute on Drug Abuse, USA) nicht müde werden zu betonen. Aber sie haben auch psychosoziale Ursachen und Folgen. Dies alles zu verstehen und in Handeln zu integrieren, ist Voraussetzung für gelingendes Helfen in der Suchthilfe. Suchtspezifische Empathie ist eine wichtige Grundvoraussetzung für das Handeln von Fachkräften. Es bedeutet, nicht nur die Person in ihrem Handeln verstehen zu wollen, sondern auch die Funktionalität des Substanzkonsums zu erkennen und miteinzubeziehen.

Entwicklungsaufgaben der Suchthilfe

Zu den zentralen Entwicklungsaufgaben der Suchthilfe gehören vor allem: (1) Digitalisierung der Hilfen, (2) Familien- und Kinderorientierung, (3) Forschungs- und Evidenzstärkung, (4) umfassende Hilfen, auch für verdeckte Gruppen. Im Folgenden werden diese Entwicklungsaufgaben näher erläutert und mit 10 zentralen Zukunftsaufgaben abschließend formuliert.

(1) Digitalisierung in der Suchthilfe – terra incognita 2020?

Die Entwicklung der Suchthilfe seit 1990 brachte viele neue Herausforderungen, von denen die Digitalisierung wahrscheinlich – gerade unter Corona-Pandemiebedingungen – die aktuellste und die derzeit noch am stärksten abgewehrte ist. Die Gründe hierfür sind sowohl fehlende digitale Kompetenzen in der Praxis, die gerade in den Studiengängen der Sozialen Arbeit kaum vermittelt werden, so dass der berufliche Nachwuchs bei weitem nicht ausreichend qualifiziert und motoviert ist, dieses Defizit zu bewältigen. Oft herrscht auch Abwehr und Starrheit im Suchthilfesystem gegenüber digitalen Innovationen und eine diffuse Technikfeindlichkeit vor. Die bisher verwirklichten Ansätze zur Förderung digitaler Ansätze in der Suchthilfe sind sehr fragmentarisch und rudimentär. Die Chancen und Anforderungen waren bis zum Beginn der Corona-Krise größtenteils noch nicht erkannt und daher auch noch nicht umgesetzt. Wie bei Innovationen üblich, teilt sich die Gruppe der Betroffenen in frühe, mittlere und späte Innovatoren sowie Innovationsverweigerer. Nunmehr kommt unter den aktuellen epochalen Anforderungen der Innovationsdruck mit Macht. 

(2) Sucht und Familie

Für die Suchthilfe gilt es, in Zukunft mehr und frühzeitig auf betroffene Kinder einzugehen, Frühinterventionen – beginnend in der Schwangerschaft konsumierender Frauen – anzubieten und die starre Trennung zwischen Therapie (für suchtkranke Eltern) und Prävention (für betroffene Kinder) aufzulösen. Es geht darum, die versorgungspolitisch und populationsbezogen nachteilige scharfe Trennung von Therapie und Prävention zu überwinden, und dies fallbezogen genauso wie generationenübergreifend.

(3) Suchtforschung

Da es in Deutschland nach wie vor keine nationale Suchtforschungsagentur gibt, sind die Entwicklungen in diesem Bereich eher zufälliger oder lokaler Natur. Die Impulse für die Suchtforschung, insbesondere für die Suchthilfeforschung, die im vorgestellten Themenbereich besonders gefragt ist, kommen in Deutschland weder von den Universitäten, wo eine solche – außer im Bereich der Neurobiologie – kaum stattfindet noch von der DHS als führendem Verband in diesem Bereich. Für die Zukunft ist eine enge Verzahnung zwischen Suchthilfepraxis und Suchthilfeforschung zu wünschen, die durch eine nationale Forschungsagentur zu begleiten wäre. Diese wiederum könnte auch die Schnittstelle zur grundlagenorientierten Suchtforschung bilden.

(4) Vernachlässigte Gruppen („hidden groups“)

Nicht immer sind die Gruppen, die am meisten auffallen, die, welche dringend der Hilfe bedürfen. Diese Aussage gilt für die Versorgung im Suchtbereich in besonderer Weise. Neben der lange vernachlässigten Gruppe der Angehörigen sind hier besonders Menschen mit Missbrauchsmustern in Bezug auf Substanzen – oft eine Frühphase der Sucht – und generell Nikotinabhängige, Verhaltenssüchtige und Menschen mit exzessiven Essproblemen mit zu nennen. Suchthilfe sollte hier zu einem Instrument der Verhaltensberatung und Frühintervention zur Förderung der psychischen Gesundheit weiterentwickelt werden.

Für die Suchthilfe müssen interdisziplinäre Sichtweisen und Konzepte der Regelfall sein

Allzu oft werden in der Suchthilfe Partikularinteressen vertreten und durchgesetzt. Dies führt zu inadäquaten Versorgungsformen und Vernachlässigung wichtiger Impulse und Perspektiven. Berufsständische Interessen – etwa der Medizin oder der Sozialen Arbeit – dominieren dann das Denken und Handeln auch in Verbänden und Organisationen, die der Suchthilfe und –behandlung als Ganzem gewidmet sind.

Herausforderungen an die deutsche Suchthilfe 2030 – Synopse der Ausgangsbedingungen mit Ausblick auf die Zukunft

Die Suchthilfe in unserem Land wird sich in den nächsten Jahren umfassend erneuern und modernisieren müssen, will sie den Anforderungen der Zukunft gewachsen sein. Dieser Satz könnte auch im Jahre 1970 oder 1990 geschrieben worden sein, denn wandelnde gesellschaftliche Realitäten und Herausforderungen haben schon immer Innovationen und Anpassungen gefordert. Das jeweils zeitspezifische sind die Konkretheiten der Anforderungen, die im Folgenden zusammengefasst werden.

Die Beschleunigung nimmt ab dem Jahr 2020 noch zu

Durch den beschleunigten gesellschaftlichen und technischen Wandel der Gegenwart sind die Anforderungen an Flexibilität, Kreativität und Innovation jedoch enorm angestiegen. Die Corona-Krise ab dem Jahr 2020 intensiviert diese Anforderungen noch weiter. Modernisierungsverweigerung, die bislang noch oft als nonkonformistische, gesellschaftskritische Attitüde gesehen wurde, wird in der Suchthilfe mehr und mehr zum Existenzrisiko. Die wichtigsten Entwicklungsaufgaben der Suchthilfe in synoptischer Sicht – mit einem gehörigen Schuss Subjektivität, da es entsprechender Forschungen in der Suchthilfe ermangelt, sind:

  1. Suchthilfe muss wissenschaftlicher, evidenzorientiert und neugieriger auf sich selbst, die eigenen Wirkungen und Effekte werden.
  2. Suchthilfe muss ihre Reichweite zur betroffenen Klientel erweitern und verbessern. Nicht nur abhängigkeitskranke Menschen sind Zielgruppe, sondern auch Gefährdete, Substanzmissbraucher, riskant Konsumierende und Personen, die vor einem problematischen Konsumeinstieg stehen. Deshalb muss Suchtprävention überall zu einem integralen Bestandteil der Suchthilfe werden. An vielen Orten ist sie das noch nicht. Suchthilfe sollte sich außerdem nicht darauf verlassen, dass ihr dauerhaft durch das Strafverfolgungssystem Klienten zugeführt werden (z.B. über die § 35-BtmG-Regelung), sondern ihre Angebote für Betroffene attraktiv und motivierend gestalten. Auch durch das vielerorts noch sehr strikte und rigide aufrechterhaltene Abstinenzdogma werden viele potentiell veränderungsbereite Personen nicht erreicht und abgeschreckt.
  3. Suchthilfe muss sich neuen Entwicklungen aus der internationalen Suchtforschung grundsätzlich früher öffnen, diese als hilfreiche Innovationen verstehen und integrieren. Die Tatsache, dass im Jahr 2020 von den Leistungsträgern der Sozialgesetzbücher V und VI immer noch an Abstinenz als allein möglichem Therapieziel festgehalten wird, ist unter wissenschaftlichen und ethischen Aspekten unerträglich. 
  4. Suchthilfe muss sich von fragwürdigen moralisierenden und stigmatisierenden Haltungen gegenüber Substanzkonsumierenden frei machen und zu einem Ort des offenen Austauschs und der Beratung werden. In diesem Zuge muss sich Suchtberatung zur umfassenden Konsum- und Gesundheitsberatung weiterentwickeln. 
  5. Suchthilfe muss sich von allen – latenten wie manifesten – Stigmatisierungen und problematischen Gegenübertragungen ihrer Klientel gegenüber befreien und diese zu umfassender Selbststeuerungsfähigkeit, Selbstverantwortung, Selbsthilfefähigkeit, Teilhabe und Konsummündigkeit führen. 
  6. Suchthilfe muss sich frühzeitiger und intensiver in drogen- und suchtpolitische Debatten auf allen gesellschaftlichen Ebenen einmischen, ohne sich parteipolitisch zu binden, und die Meinungsführerschaft einnehmen, um so die Debatten zu kanalisieren. Legitimiert wird sie durch ihre Expertise und Praxiskompetenz. Dabei muss deutlich werden, welch hohe Bedeutung Sucht- und Drogenpolitik für Gesundheits- und Sozialpolitik hat. Die Suchthilfe ist der Kernkompetenzbereich für Suchtfragen. Dafür muss sie sich moralisierender, stigmatisierender und evidenzferner Haltungen und Äußerungen entledigen und enthalten. 
  7. Suchthilfe muss ihre Passgenauigkeit gegenüber Klientinnen und Klienten kontinuierlich verbessern. Das bedeutet, an den Bedürfnissen und Zielen der Menschen anzusetzen und mit ihnen gemeinsam Zielkontrakte und Veränderungsprozesse herbeizuführen, die ihnen maximalen Nutzen, Gesundheitsverbesserung und Risikoreduktion bringen. 
  8. Suchthilfe sollte zur Entstigmatisierung Suchtkranker und Suchtgefährdeter beitragen und diese langfristig fördern. Das bedeutet jedoch nicht, die relevanten Probleme auszublenden, zu verklären oder umzudeuten. Es muss klar sein, dass „Political Correctness“ keine Handlungsoption für evidenzbasierte Versorgung und Hilfen sein kann. Zu den Stigmatisierungsprozessen Suchtkranker trägt auch die Illegalisierung und Kriminalisierung des süchtigen Verhaltens Drogenabhängiger bei. Das Positionspapier „Das Stigma von Suchterkrankungen verstehen und überwinden“, das von einer Arbeitsgruppe um Prof. Schomerus und Prof. Rumpf erarbeitet wurde, kann hierfür eine hilfreiche Grundlage sein. 
  9. Suchthilfe muss die Qualität der Arbeit fördern und sichern. Besonders entscheidend ist die dabei die Ergebnisqualität. Struktur- und Prozessqualität sollen natürlich ebenfalls berücksichtigt werden. Die grundsätzliche Orientierung in der Suchthilfe muss sich stärker in Richtung auf die Erreichung vorab definierter Ziele richten. Dies gilt auch für den niedrigschwelligen Hilfebereich, die psychosoziale und psychotherapeutische Betreuung Substituierter und die Suchtprävention. 
  10. Weitere Entwicklungsaufgaben der Suchthilfe sind auszumachen. Der berufliche Nachwuchs sollte umfassend qualifiziert werden, was suchtwissenschaftliche Grundlagen, Beratungs- und Motivierungskompetenzen, Therapieplanung, Indikationsstellung und Veränderungsmanagement angeht. Der Tätigkeitsbereich sollte für den beruflichen Nachwuchs attraktiver und offener werden, damit ein Fachkräftemangel nicht zu einem Servicemangel in der Suchthilfe wird. Die Fachkräfte sollten neben ihren spezifischen beruflichen Kompetenzen eine deutliche interdisziplinäre Kompetenz im Umgang mit Suchtstörungen aufweisen bzw. erwerben.

Mangels umfassender und systematischer Evaluationen ist es bis heute unmöglich, die Leistungen der Suchthilfe zu bewerten und daraus Bedarfe nach Optimierung und Weiterentwicklung abzuleiten. Die Zukunft sollte da anfangen, wo die Gegenwartsprobleme deutlich werden. Vor allem das ambulante Suchthilfesystem, das in vielen Bereichen vermutlich wirksame und wichtige Arbeit leistet, sollte sich einer umfassenden unabhängigen Evaluation und Evidenzbasierung unterziehen, um zukunftsfest, innovationsfähig und krisensicher zu werden. Durch die Corona-Pandemie verstärken sich die Anforderungen und Entwicklungsaufgaben der Suchthilfe noch, vor allem hinsichtlich der verstärkten Nutzung digitaler Angebote.

¹ https://www.wissensuchtwege.de/download/Kooptag_2017/2017_04_Memorandum_Stigma_Suchterkrankungen_verstehen_und_ueberwinden.pdf (Aufruf am 02.07.2018; 08.00 Uhr)