Selbstwertgefühl und Suchtprobleme. Hintergründe und Methoden zur Verbesserung mit den fünf wichtigsten Tipps

Das Selbstwertgefühl stellt eine wichtige Grundlage der psychischen Gesundheit von Menschen dar und ist oft problematisch bei Suchtproblemen ausgeprägt. In Anbetracht der zunehmenden Anforderungen in Arbeits- und Privatleben nach Funktionsfähigkeit und körperlicher wie psychischer Fitness wird das Thema „Selbstwertgefühl“ heutzutage immer wichtiger. Menschen müssen ein Leben lang an ihrem Selbstwertgefühl arbeiten, wenn sie genug davon haben wollen. Man muss es sozusagen immer wieder erneuern und aufrechterhalten. Das Selbstwertgefühl ist eine wichtige Ressource zum gelingenden Navigieren durchs Leben, um die richtigen Ziele und Inhalte zu verfolgen, Zufriedenheit und Wohlbefinden zu erzeugen und berechtigte Selbstzufriedenheit zu erlangen. Das Selbstwertgefühl ist deshalb ein wichtiger Teil unseres Selbst.

Und ganz wichtig ist, dass es einen realen Bezug, also nicht abgehoben, unrealistisch oder gar wahnhaft ist. Zu oft jedoch wird mangelndes Selbstwertgefühl mit Alkohol oder Drogen kompensiert. Kurzfristig hat dies Erfolg, langfristig überwiegen die negativen Konsequenzen die positiven bei Weitem. Auffällig viele Suchtkranke – vor allem männlichen Geschlechts – berichten, dass Sie Suchtmittel schon am Anfang ihrer Problementwicklung eingesetzt haben, um Ohnmachtsgefühle zu vermeiden oder gar in Allmachtserlebnisse zu verwandeln. Dies ist meist ein starkes Anzeichen dafür, dass ursächlich eine Selbstwertproblematik der Suchtentwicklung zugrunde liegt. Doch zunächst zur Frage, was Selbstwert und Selbst aus psychologischer Sicht überhaupt bedeutet.

Selbstwertgefühl ist ein zentraler Teil des Selbst

Das Selbstwertgefühl ist einerseits ein Teil unseres Selbst, andererseits wird es von den anderen Teilen des Selbst genährt, etwa vom Selbstkonzept, das wir in uns tragen. Das Selbstwertgefühl entsteht durch äußere und innere Rückmeldungen und muss kontinuierlich erneuert, d.h. aufgefrischt und aktualisiert, werden.

Das Selbstkonzept beschreibt, welche Gesamtidee wir von uns haben etwa hinsichtlich Aussehen, Attraktivität, Persönlichkeit, Klugheit, Moral, Opferrolle und aller weiteren wichtigen Teile unseres Selbst. Zu dem Konzept unseres Selbst gehört auch, wie wir uns als Mensch (Mann, Frau, Sohn, Vater usw. in unseren Rollen und Funktionen) sehen und bewerten. Die wesentlichen Anteile unseres Selbstkonzepts lernen wir in der Kindheit und verfeinern und erweitern diese im weiteren Verlauf des Lebens. 

Das Selbstwertgefühl ist also ein wichtiger Teil des Selbstkonzepts, das wir im Laufe des Lebens aufbauen und immer weiter pflegen müssen. Es beschreibt – grob gesprochen – unsere emotionale und affektive Beziehung zu uns selbst und welche Bedeutung wir uns selbst zumessen. Das Selbstwertgefühl muss richtig dosiert sein. Übertriebenes Selbstwertgefühl wirkt unrealistisch, realitätsfern, im Extrem narzisstisch, untertriebenes Selbstwertgefühl wirkt depressiv, mitleiderregend und dependent.

Ganz wichtig ist der Realitätsbezug beim Selbstwertgefühl. Es muss mit den realen Fähigkeiten, Eigenschaften und Merkmalen der Person in Verbindung sein. Dafür ist Feedback von anderen (Partner, Freunde, Kollegen usw.) wichtig, im Einzelfall auch von Fremden (z.B. einem Therapeuten). Auch aus Fehlern und Misserfolgen kann größeres Selbstwertgefühl erwachsen. Dabei kommt es auf die Verarbeitung der Misserfolge an. Diese sollten eher anspornend als niederschmetternd wirken. Es geht beim Selbstwertgefühl, zusammenfassend betrachtet, um einen realistischen, aber auch positiven Blick auf sich selbst.

Das Selbst

Das Selbst ist zuständig für die Selbstwahrnehmung und -steuerung eines Menschen sowie für dessen gelingenden Austausch mit anderen Menschen. Das eigene Selbst ist insofern auch die Grundlage für Kommunikation und Beziehungen. Das Selbstbild eines Menschen wird aus seinen Selbstrepräsentanzen, d. h. durch seine erfahrungs- und realitätsbezogenen Vorstellungen über sich selbst, gebildet und gesteuert. Das Selbst ist im Unterschied zum Ich, dem Kern der Persönlichkeit, nicht reflexionsfähig. Es braucht die „Zulieferungen“ des Ich, um sich zu entwickeln und anzupassen.

Insofern stellt die Ausbildung eines kritischen Selbst eine wesentliche Aufgabe des Ich dar. Durch die entsprechenden intrapsychischen Funktionen des Ich –   Wahrnehmung, Denken, Lernen, Gedächtnis – erhält das Selbst das Material, um sich realistisch, aber auch positiv und gesund zu entwickeln. Dadurch kann es sich erweitern, aber auch seine Grenzen realistisch erfassen. Durch kontinuierliche Rückmeldeprozesse zwischen Ich und Selbst bilden sich Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl heraus. Was dem Selbst in diesem Prozess bewusst zugänglich wird, wird Selbsterkenntnis genannt. 

Selbstwertgefühl hängt eng mit Wohlbefinden und Zufriedenheit zusammen

Selbstwertgefühl ist auch ein wichtiger Baustein für Wohlbefinden und Zufriedenheit. Menschen reagieren äußerst ängstlich auf Bedrohungen ihres Selbst, reale und vorgestellte. Es langt schon, dass wir glauben, abgewertet zu werden, um uns in Widerstand und Abwehr zu bringen. Andererseits haben wir normalerweise ein Streben nach Selbstwerterhöhung. Dies zeigt sich in Anstrengung, Leistung und Unterstützung anderer, damit diese uns Positives (Lob, Unterstützung, Zuneigung) zurückgeben. Grundsätzlich ist dieses Streben nach Selbstwerterhöhung nützlich und gut, wenn es nicht zu übertriebenem, unrealistischem Selbstwahrnehmungen führt.

Die dauerhafte oder auch nur wiederholte Konfrontation mit den eigenen Schwächen und soziale Zurückweisungen sind für uns Menschen besonders negativ und schwierig zu ertragen. Deshalb vermeiden wir solche Situationen grundsätzlich auch lieber. Dahinter steckt ein starkes Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Anerkennung durch andere. Dieser Wunsch nach unbedingter Akzeptanz durch wichtige Andere macht die Annahme von Kritik schwierig, da diese schnell mit Abwertung und Bedrohung des Selbstwerts assoziiert wird. Es bedarf einer besonders tragfähigen Beziehung und geschickten Dosierung von Kritik, dass diese überhaupt angenommen werden kann und Spuren hinterlässt.

Wenn unser Wohlbefinden zu wünschen übriglässt, entsteht bei vielen Menschen die Reaktion, nach Alkohol oder anderen Suchtmitteln zu greifen. Dies kann der Beginn eines Teufelskreises werden, bestehend aus einem Selbstwertproblem, der positiven kurzfristigen Wirkung auf dieses Problem durch Alkohol- oder Drogenkonsum und dem wieder aufreißenden Selbstwertdefizit, sobald die Substanzwirkung nachlässt. Zusätzliches Problem dabei ist, dass das Selbstwertdefizit nach jedem Substanzkonsum größer werden kann. Auf Dauer erwächst daraus der Teufelskreis, dass immer mehr konsumiert werden muss, um das subjektiv erlebte Loch zu stopfen.

Aufblühen durch PERMA – die Grundlagen eines zufriedenen, erfüllten Lebens

Der berühmte amerikanische Psychologe Martin Seligman, der als Begründer der Positiven Psychologie gilt, formulierte auf der Basis langjähriger Forschungen zur psychischen Gesundheit von Menschen das PERMA-Modell. Dieses beschreibt, wie Personen zu dauerhaftem Wohlbefinden und psychischer Gesundheit kommen. Dies umfasst auch ein stabiles, positives Selbstwertgefühl. Der Begriff PERMA setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der fünf Basiselemente für psychische Gesundheit zusammen. Sie lauten: 

  1. Positives Gefühl als Grundstimmung
  2. Engagement für relevante Menschen und Themen
  3. Positive Beziehungen zu anderen
  4. Sinn im Leben (Meaning)
  5. Zielerreichungen und Erfolge (Accomplishment)

Wenn diese fünf Elemente im Leben von Menschen vorhanden sind, ist von einer balancierten psychischen Gesundheit und einem überwiegenden Wohlbefinden auszugehen. Dies führt dann zu einem kontinuierlichen „Flourishing“, einem Aufblühen der gesamten Person. Das Flourishing dient der Entwicklung der eigenen Talente und Potentiale und macht den Menschen auch zu einem sozialen Mitmenschen auf der Basis eines eigenen stabilen Selbst. Wichtig ist dabei das Vorhandensein eines positiven Selbstwertgefühls. Dieses ergibt sich aus der Verwirklichung aller fünf Elemente des PERMA- Modells.

Praktische Anwendung „Selbstwertgefühl und Suchtprobleme“: 5 Tipps für mehr Selbstwertgefühl

Für Suchtkranke besteht meist das Problem, dass Sie nach langjährigem Substanzkonsum ein noch größeres Selbstwertdefizit erleben als zuvor. Der Versuch, das Selbstwertgefühl mit Substanzen zu manipulieren, wird letztendlich immer scheitern. Im Folgenden finden Sie fünf Tipps zur Steigerung eines gesunden Selbstwertgefühls im Alltag: 

1. Blicken Sie positiv und realistisch zugleich auf sich selbst!

Was gibt es für Gründe, dass Sie sich mögen? Finden Sie genügend Aspekte? Wenn nicht, schreiben Sie einige auf. Es sollten schon mehr als fünf Gründe sein. Beachten Sie aber auch, was andere Ihnen rückmelden oder holen Sie sich diese Rückmeldungen ein. Dazu gehört auch, dass Sie sich selbst akzeptieren. Wenn Sie denken, dass Sie Fehler haben, verdrängen Sie diese nicht, beginnen Sie stattdessen, schrittweise an diesen zu arbeiten, ohne sich zu überfordern, wohl aber, indem Sie sich selbst fordern und zugleich auch fördern. Seien Sie auch mutig mit sich, nehmen Sie neue Herausforderungen an, stellen Sie sich Aufgaben, an denen sie wachsen können, aber vermeiden Sie Überforderungen!

Wenn Sie zwischen Herausforderungen und Überforderungen nicht unterscheiden können, holen Sie sich den Rat von Freunden oder Experten ein. So kann Vertrauen in Ihre eigenen Fähigkeiten wachsen – und damit Selbstvertrauen. Selbstvertrauen bedeutet, dass Sie wissen, wer Sie sind und was Sie können, aber auch was Sie (zumindest nicht alleine) erreichen können. Realistisches Selbstvertrauen ist eine wichtige Größe im Leben und ein Baustein eines gesunden Selbstwertgefühls. Zum Selbstwertgefühl gehören Ihre Persönlichkeit, Ihre Leistungen und Ihre Rolle im sozialen Bereich.

Diese drei Bereiche sollten in Einklang und Gleichklang stehen und diese Harmonie sollte auch ein Leben lang gepflegt werden. Ein stabiles Selbstwertgefühl setzt sich aus diesen verschiedenen Bereichen zusammen. Es langt dabei nicht, nur phantastisch gut auszusehen oder nur super klug zu sein. Auf Dauer kommt es auf die Mischung der Anteile an. Mit dem Selbstwertgefühl ist es wie mit einem gut gemischten Cocktail. Am besten wird das Selbstwertgefühl, wenn die Komponenten stimmen und passen.

2. Gestalten Sie Ihr inneres Selbstgespräch positiv!

Ihr innerer Monolog, der weitgehend automatisch und damit unbewusst abläuft, entscheidet am Ende darüber, wie Sie sich sehen und wie sie sich in Bezug auf sich selbst fühlen. Gemeint ist, was wir innerlich zu uns sagen und wie wir innerlich zu uns selbst reden. Üben Sie diesen Monolog, eliminieren Sie Giftsätze wie z.B. „das schaffst Du nicht“, „keiner mag Dich“, „es lohnt sich sowieso nicht“ usw. und ersetzen Sie diese durch positive Sätze mit Selbstakzeptanz, wie z.B. „ich bin liebenswert“, „ich weiß, was ich kann“ oder „wenn ich mich anstrenge, gelingt es“. Zur Eliminerung der Giftsätze zählt: Schädigende Antreibersätze, erbarmungslose Kritikersätze, Entwertersätze und Bedrohersätze erkennen und durch bessere Sätze unschädlich machen! 

Sie können so Ihr inneres Selbst aufbauen, verändern und gestalten. Die Gedanken, die Ihnen dafür gut tun, nennen wir Balsam-Sätze, weil sie wie Balsam für Ihre Psyche sind

Sie können das auch vor dem Spiegel stehend überprüfen: Welche Sätze fallen Ihnen zu sich ein? Wie authentisch und glaubwürdig kommen diese für Sie selbst rüber? Oder Sie überprüfen sich, mit welchem inneren Gefühl Sie abends zu Bett gehen. Negativ oder positiv? Beenden Sie den Tag mit Gedanken, die Ihnen gut tun! Schlafen Sie mit einem positiven Gedanken über Ihre Beziehung zur Welt und zu sich selbst ein!

Es ist dabei wie mit einem Training im Bereich des Sports. Regelmäßig macht den Meister! Trainieren Sie sich mit Balsam-Sätzen! Diese beeinflussen auch Ihr Unbewusstes. Sie werden nach einiger Zeit Effekte spüren, übrigens auch in ihren Träumen. Aber seien Sie geduldig und ausdauernd mit sich.

3. Setzen Sie sich Ziele im Leben!

Jeder Mensch braucht Ziele im Leben. Diese Ziele sollten Ihnen in besonderer Weise wichtig sein und zu Ihren Talenten und Fähigkeiten passen. Es können materielle Dinge sein, aber besser sind soziale, psychologische und ideelle Ziele: Freundschaften, Beziehungen, Intimität, Zugehörigkeit sind die Werte, die am langen Ende zählen, besonders auch Liebe und Partnerschaft. Es geht also um Ziele, die zu wohltuenden und sinnstiftenden Resultaten führen. Ziele zu verfolgen und schließlich zu erreichen, vermittelt Ihnen ein wunderbares Gefühl und stärkt Ihr Selbstwertgefühl. Mit einem stabilen, tief verankerten Selbstwertgefühl ist nichts Materielles, sondern etwas Ideelles gemeint. Es geht um etwas, das Sie ausstrahlen, und was vollkommen authentisch rüberkommt. Stellen Sie sich den Aufbau von Selbstwert wie eine Treppe vor, die Sie emporsteigen können, ab und zu kommt ein Plateau, vielleicht kommen auch mal wieder zwei Stufen abwärts, aber am langen Ende überwiegt das Aufwärts. 

Stellen Sie sich den Aufbau von Selbstwert wie eine Treppe vor.
Stellen Sie sich den Aufbau von Selbstwert wie eine Treppe vor.

Wichtig ist es bei der Entwicklung des Selbstwertgefühls vor allem, Sinn im Leben zu finden. Dieser erschließt sich nicht immer direkt, oft ist es eine lange Reise, den ganz persönlichen Sinn im Leben zu finden. Es gibt auch nicht den einen Sinn, der auf jeden passt. Jeder muss den Sinn im Leben für sich selbst finden. Dabei ist die Reise wichtiger als das Ziel. Aber wenn Sie suchen, ist das schon für Ihren Selbstwert eine wichtige Voraussetzung. Es ist natürlich ein wunderbares Gefühl, wenn Sie immer wieder Erfüllung im Leben finden. Dies ähnelt dem, was Martin Seligman mit „Flourishing“, dem Aufblühen der gesamten Person meint. Wenn dies geschieht, genießen Sie es und ziehen Sie daraus die Kraft für weitere Ziele für sich und andere. 

4. Fördern Sie Ihr Selbstwertgefühl durch soziale Netzwerke, Freundschaften und partnerschaftliche Beziehungen!

Menschen brauchen Nähe und Akzeptanz durch andere, verlässliche und vertrauensvolle Akzeptanz. Dies schafft die Basis für Rückmeldungen, Offenheit. So ist das Erlernen von sozialer Kompetenz möglich. Dazu gehören auch Nähe-Distanz-Regulationsfähigkeit, soziale Resonanz (bei anderen ankommen und beliebt sein). Seien Sie nicht feindselig gegen andere Menschen, alle haben Fehler und Defizite, aber überall gibt es auch vorzügliche Menschen, echte Perlen, mit ganz besonderen prosozialen, mitmenschlichen und persönlichen Fähigkeiten und Profilen! Um das zu erkennen, braucht es oft Zeit und Mühe. Insbesondere narzisstische Persönlichkeiten können hervorragend täuschen, blenden und manipulieren. Und die Menschen, die Sie ganz nahe an sich heranlassen, sollten Sie sorgfältig auswählen, ob diese Ihnen wirklich gut tun und Gutes mit Ihnen im Schilde führen. Das kann man auf die längere Sicht spüren! Vertrauen Sie dabei Ihren Instinkten und tiefsten Gefühlen. 

Um Ihre sozialen Netzwerke zu entwickeln ist es wichtig, dass Sie sich öffnen und auf andere zugehen. Gerade Männer in Partnerschaften überlassen die sozialen Kontakte oft zu sehr ihren Frauen. Sammeln Sie selbst Rückmeldungen ein, bei Freunden, Kollegen und Bekannten. Sie werden überrascht sein, was auch an positiven Sätzen kommt. Können Sie Lob von anderen annehmen? Öffnen Sie sich dafür. Wenn Sie stärkere Probleme mit sozialen Beziehungen, dem Aufbau und dem Ausbau haben, kontaktieren Sie einen Therapeuten.

5. Suchen Sie nach Wachstumschancen!

Alle Menschen streben nach Selbstwerterhöhung, ein Leben lang. Das beginnt schon im Kindergarten: Wer hat die schönsten Sandalen, das beste Spielzeugauto, kann am besten singen? Wieso haben wir dieses Streben? Weil es uns gesund und emotional positiv gestimmt hält. Es ist gut, wenn Sie nach Selbstwerterhöhung streben, aber bleiben Sie dabei offen für Kritik und Anregungen, die Ihnen anfangs vielleicht fremd und unpassend erscheinen.  Bleiben Sie also realistisch, was das eigene Selbst betrifft, sonst erhöhen Sie sich vielleicht anderen gegenüber zu sehr. Und das kann einsam machen. 

Betrachten Sie bei der inneren Suche auch ihre Schwächen: Sind es reale oder vermeintliche? Haben Sie sich Nachteile eingeredet, oder wurden sie Ihnen eingetrichtert? Hier sind Männer in dem heutzutage feminin beherrschten wichtigen Bildungsbereich gefährdet, dass sie lernen, sich zu negativ zu sehen, weil sie nicht angepasst, nicht gehorsam oder brav genug sind. Generell sollten Sie sich selbst gegenüber zwar durchaus offen, kritisch und reflexiv sein, ohne sich aber kritikasterhaft zu verhalten. Erst wenn Sie Ihre Stärken und Schwächen offen vor sich selbst (oder einer Person Ihres besonderen Vertrauens) bilanzieren, können Sie systematisch und erfolgreich an Ihrem Selbstwertgefühl arbeiten. Scannen Sie sich in den Bereichen Persönlichkeit, Werte, Aussehen und Einstellung zum Körper, Kompetenzen (was können Sie besonders gut?), Wissen, Erfahrungen, Umgang mit Misserfolgen, Beständigkeit (Resilienzen)! 

Was sind Ihre persönlichen Selbstwertfresser? Wo sind Sie zu streng mit sich selbst? Was mindert ungerechterweise Ihr Selbstwertgefühl? Idealisieren Sie andere zu sehr und setzen Sie selbst dadurch herab? Haben Sie zu wenig Gelegenheit, Ihre Fähigkeiten im Alltag zu zeigen? Woher kommen falsche Bescheidenheit, negative selbstbezogene Tendenzen? Können Sie die Quellen Ihrer Selbstwertfresser identifizieren? Dann können Sie diese auch beseitigen. 

Sie sollten die Vielfalt Ihrer inneren Anteile erkennen, Gutes an sich selbst zulassen, sich mit Schwächen aussöhnen, nach neuen Wachstumsmöglichkeiten suchen und das Selbst erweitern. Dann sind Sie auf einem guten Weg mit sich selbst. 

Zum Abschluss: Warum ist Selbstwert ein Thema bei Suchtstörungen?

Menschen fällt es heutzutage oft besonders schwer, ein gesundes und starkes Selbstwertgefühl zu entwickeln. Dies beginnt in Kindheit und Jugend und kann sich über das Leben hinweg fortsetzen. Oft erleben spätere Suchtkranke in der Kindheit Gefühle von Entwertung, Kränkung und Zurücksetzung. Viele haben keine sichere Bindung zu einem Elternteil, weil dieses problembeladen, übermäßig gestresst oder psychisch krank ist. Auffällig viele spätere Suchtkranke (vor allem Männer) wachsen ohne Vater oder mit einem selbst wiederum suchtkranken Vater auf. All dies sind Gründe, dass niedriges Selbstwertgefühl und Suchtprobleme im späteren Leben so oft zusammenhängen. Es bedarf vor allem früher Hilfen und günstiger Weichenstellungen. 

Oft werden von den betroffenen Menschen die Probleme und inneren Nöte und Ängste nur kaschiert oder notdürftig heruntergeschluckt, vor allem wenn die Person nach außen stark sein will. Das Verführerische an den Suchtmitteln, von Nikotin, Alkohol, Cannabis bis zu Heroin und Kokain, ist, dass sie dem Gehirn vorgaukeln, dass alles okay ist und dass man sich ja gut und stark ist, obwohl man sich nur kurzfristig aufgrund des Einflusses der Substanzen so fühlt. Diese Tendenz, alles mit sich auszumachen und sich abzukapseln, wird unter den Suchtmitteln noch stärker.

Das kann zu sozialer Isolation und Vereinsamung führen, was dann wiederum neuerliche Gründe zur Substanzeinnahme werden. Wenn die Person dann gleichzeitig von außen immer häufiger abgewertet wird oder dies zumindest so empfindet, wird es auf die Dauer innerlich immer enger. Substanzkonsum oder andere exzessive Verhaltensweisen (wie z.B. Glücksspiel, Essen, Kaufen) sind nicht der Weg zu echtem Selbstwert und innerer Souveränität. Aufgrund der Tatsache, dass die Mehrzahl der Suchtkranken Männer sind, sollten auch geschlechtsspezifische Zusammenhänge zwischen Selbstwert und Suchtentwicklung berücksichtigt werden. 

Suchtprävention und Selbstwertförderung gehören zusammen

Für eine gelingende Suchtprävention ist es daher besonders wichtig, dass Kinder und Jugendliche – gerade aus psychisch belasteten Familien – frühzeitig ein gesundes Selbstwertgefühl entwickeln können. Dies sollte auch in Anbetracht von Eltern geschehen, die eher Probleme mit Erziehungskompetenz, Sicherheit und Bindung haben. Dafür können Bildungs- und Präventionsprogramme Verantwortung übernehmen. Die entsprechenden Ansätze finden sich besonders im Rahmen sogenannter „Lebenskompetenzprogramme“. Die aus US-amerikanischen Forschungen (vor allem von Gilbert J. Botvin) stammenden Ansätze konnten wiederholt ihre Wirksamkeit mit unterschiedlichen Kindern und Jugendlichen aufweisen.

Leitsätze für ein starkes Selbstwertgefühl

  1. Lerne Dich selbst zu akzeptieren und positiv zu sehen!
  2.  Sei offen und mutig mit Dir selbst!
  3. Du bist wertvoll. Handle so, dass Du dies mit anderen teilst!
  4. Suche jeden Tag nach dem Sinn im Leben, der Dir Erfüllung bringt!
  5. Sei bei all dem geduldig mit Dir und Anderen!

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