Sucht und Weihnachten – alle Jahre wieder. Gedanken für Suchtkranke, Angehörige und alle, die sich betreffen lassen 

Bevor es auch in diesem Jahr wieder überraschend Weihnachten wird, einige Gedanken zum Thema Sucht und Weihnachten aus suchtpsychologischer Sicht. Weihnachten ist besonders für Angehörige Suchtkranker eine schwierige Zeit, oft voller Stress und Schmerz. Aber auch für Suchtkranke selbst ist die Zeit stressreich, kann aber auch eine Chance auf Veränderung und Neubeginn – ganz im ursprünglichen christlichen Sinne – bieten. Dann kann Hoffnung entstehen und wachsen. Um diese Risiken und Chancen für Angehörige und Suchtkranke geht es im Folgenden. Sucht und Weihnachten können für Menschen, die mit Suchterkrankungen zu kämpfen haben – und ihre Angehörigen – eine emotional besonders herausfordernde Zeit sein. Die Feiertage sind oft mit sozialen Zusammenkünften, festlichen Veranstaltungen und vielen Anforderungen und Belastungen verbunden, was auch zu Rückfällen führen kann. Daher sollten Suchtkranke – und ebenso natürlich Angehörige – in dieser Zeit besonders auf Stressreduktion (soweit wie möglich!), Auszeiten und meditative Momente achten, um zur Ruhe zu kommen. Alles Kommerzielle widerspricht dem Sinn der Weihnacht. Es geht nur um Hoffnung auf Befreiung und Heil. Das mag im ersten Moment widersprüchlich klingen, da die meisten Menschen Weihnachten mit Stress assoziieren. Aber erinnern Sie, dass Weihnachten ursprünglich einmal eine Zeit zur Besinnung und nicht zur Hektik war! Nehmen Sie sich diese Momente der Ruhe für ihr eigenes Wohlbefinden und Ihren inneren Ausgleich! Weihnachten ist für alle Menschen – auch wenn sie Nicht-Christen sind – eine Zeit erhöhter Voranspannung – sei es Vorfreude oder Angst vor den Feiertagen. Nutzen Sie als Suchtkranker und Angehörige diese Zeit zu achtsamem Leben!Was ist Ihnen wirklich wichtig im Leben? Was fehlt Ihnen aus einer vertieften Sicht auf sich selbst und die Welt? 

Einsamkeit als Problem suchtkranker Menschen

Viele Suchtkranke fühlen sich chronisch einsam. Der erhöhte Substanzkonsum war dann in der Vorgeschichte oft schon der Versuch, mit dem schmerzhaften Gefühl der Einsamkeit, der Nicht-Verbundenheit mit Anderen, zurechtzukommen. Letztendlich verstärkt die Sucht die Einsamkeit noch und Betroffene fühlen sich noch stärker zurückgewiesen und isoliert. Gerade zu Weihnachten erleben viele Menschen ihre Einsamkeit besonders stark. Dadurch wird Weihnachten für Einzelne, aber auch in konfliktbeladenen Partnerschaften und Familien zu einer besonders schlimmen Zeit. Steigern Sie sich in der Weihnachtszeit nicht in eine nur sentimentale Stimmung hinein! Für jeden Einsamen gibt es in dieser Zeit Ansprechpartner bei Krisendiensten und der Telefonseelsorge. 

Selbstfürsorge beginnt jetzt!

Genauso wie der Entschluss zur Abstinenz oder entscheidenden Reduktion des Konsums bei Suchtkranken immer im Hier und Jetzt verwirklicht und nicht aufgeschoben werden sollte, ist es mit dem Beginn einer echten Selbstfürsorge. Selbstfürsorge bedeutet, sich so wichtig zu nehmen, dass man sich fördert und nicht vernachlässigt. Sie hat nichts mit Selbstmitleid zu tun, sondern ist eine Aufforderung an sich selbst, nicht aufzugeben und sich für sich selbst und die Welt zu öffnen. Eine gute Selbstfürsorge gelingt besonders auf der Basis eines gelingenden Selbstmitgefühls. Nehme ich mir genügend Zeit für mich selbst? Für meine Rekreation, Entspannung, Körperpflege, Beziehungspflege, für meinen Schlaf? Ernähre ich mich gut und gesund? Bewege ich mich genug? Alle diese Fragen sollen Sie nicht ängstigen oder unter Druck setzen, sondern der Beginn von etwas Neuem im Umgang mit sich selbst sein. Wenn Sie sich selbst wie einen liebenswerten Menschen behandeln, sind Sie auf einem wirklich guten Weg. Es gibt keinen Grund, diesen Umgang mit sich selbst, die liebevolle Selbstfürsorge, aufzuschieben. Das gilt für Suchtkranke, aber auch für Angehörige. Im psychischen Bereich – in Krisen, Notsituationen und bei einer dauerhaften Abhängigkeit – kann eine ernsthafte Selbstfürsorge darin bestehen, sich Hilfe zu holen und anderen Menschen gegenüber zu öffnen. Auch die Suchtselbsthilfe ist hier eine wichtige und hilfreiche Anlaufstelle.

Äußere und innere Konflikte meistern

In einer Zeit großer politischer Spannungen und Konflikte ist es wichtig, an die Fähigkeit der Friedfertigkeit und Dankbarkeit zu erinnern. Dies gilt für die innere Welt bei Suchtkranken und Angehörigen genauso wie die äußere Welt. Auch dazu kann Weihnachten geeignet sein. Die innere und äußere Kriegstüchtigkeit sind ein Irrweg, der in Chaos und Zerstörung führt. Sucht ist Ausdruck und Folge dieser Fehlhaltung. Dabei heißt Friedfertigkeit nicht Konfliktscheue, sondern das Austragen von Konflikten auf Augenhöhe und mit Respekt. Der Andere ist kein Gegner, sondern ein Mensch mit eigenen Gedanken und Gefühlen. Er muss kein Freund werden, sollte aber nicht bekriegt werden. Dankbarkeit bezieht sich zu allererst auf Dich selbst. Wenn Du innehältst und bewusst wahrnimmst, wirst Du Dinge und Menschen finden, denen Du dankbar sein kannst. Auf was kann Du in Bezug auf Dich selbst dankbar sein. All dies gilt es bewusst wahrzunehmen, nicht nur an Weihnachten, aber ganz sicher auch an Weihnachten. 

Warum Weihnachten für Suchtkranke schwierig ist und welche Lösungen es gibt!

Hier sind einige Gründe, warum Weihnachten für suchtkranke Menschen schwierig sein kann, und einige mögliche Ansätze, um diese Herausforderungen zu bewältigen:

1. Sozialer Druck

Problem: Weihnachten ist eine Zeit, in der viele Menschen soziale Aktivitäten planen, bei denen Alkohol und andere Substanzen eine Rolle spielen. Der soziale Druck, sich an solchen Aktivitäten zu beteiligen, kann für suchtkranke Menschen schwierig sein und in einen Rückfall führen. Bewältigungsstrategie: Vermeiden Sie Aktivitäten, bei denen bekanntermaßen übermäßig viel getrunken wird. Wenn Sie dennoch an Feiern teilnehmen, bei denen Alkohol getrunken wird, legen Sie sich vorab eine klare Verhaltensstrategie fest (bei Abstinenz: nichts trinken!) und auch eine soziale Strategie (Nein-sagen, ablehnen, ggf. mit Erklärung dazu).

2. Familienstress

Problem: Weihnachten erzeugt oft familiären Stress, was zu emotionalen Extremsituationen führen kann. Der Ablauf kann aber auch umgekehrt sein und Emotionen und Familienstress schaukeln sich gegenseitig hoch. Wenn dann noch durch eine chronische Suchterkrankung in der Familie Anspannung und Disharmonie herrschen, steigern sich die problematischen Abläufe um ein Vielfaches. Kinder leiden unter einer solchen Atmosphäre, deren Ursachen sie nicht verstehen, intensiv. Besonders übersteigerter Perfektionismus zu Weihnachten (bei den Geschenken, beim Kochen, beim Essen usw.) erhöht das Stressrisiko. Dies kann das Verlangen nach Substanzen verstärken.

Bewältigungsstrategie: Reden Sie im Vorfeld offen mit Ihren Angehörigen, was sie stresst und was sie vermeiden wollen! Auch die Angehörigen sollten offen über ihre kritischen Stresspunkte sprechen. 

Wichtig ist, dass jeder offen über seine Bedürfnisse und Grenzen sprechen kann und dass sie als Familie faire Kompromisse finden. 

Fahren Sie sie Ansprüche herunter und konzentrieren Sie auf das Wesentliche! Begegnung und – wenn möglich – Nähe, Dankbarkeit und Freude!

Wenn Sie als Suchtkranker an den Feiertagen übermäßig trinken, halten Sie sich von ihren Angehörigen fern, damit es nicht zu explosiven Streitigkeiten kommt. Umgekehrt ist es viel lohnenswerter, wenn Sie nicht konsumieren und sie die Zeit mit ihren Angehörigen bewusst und achtsam genießen können. 

3. Einsamkeit

Problem: Obwohl Weihnachten ein Fest der Familie sein sollte, bedeutet es für viele Menschen in der heutigen Zeit Isolation und Einsamkeit. Dies kann im Alleinleben bestehen, wenn Menschen dieses als unfreiwillig erleben und die soziale Isolation, die damit dann verbunden ist, nicht überwinden können. Aber auch unter Menschen kann man sich einsam fühlen. Dies ist dann das schmerzhafte Gefühl des Unverbundenseins mit anderen. Für Suchtkranke sind Einsamkeitsgefühle besonders riskant, weil sie den Drang, Suchtmittel zu konsumieren („Craving“) steigern und so in Rückfälle führen können. Aber auch Angehörige können sich in dieser Zeit sehr einsam und unverstanden fühlen.

Bewältigungsstrategie: Machen Sie selbst den ersten Schritt aus Einsamkeit und Isolation heraus! Gehen Sie auf andere zu! Anders wird sich das Problem nicht lösen. Haben Sie den Mut dazu, es wird sich am Ende lohnen! Reden Sie mit einer Person Ihres Vertrauens oder mit einer Person, die für Sie da ist. Sie können hierzu auch mit Menschen bei den Hilfediensten (Telefon-Seelsorge, Online-Beratung, Suchtselbsthilfegruppe) sprechen. Und noch eines: Gerade an Weihnachten gibt es von Selbsthilfeverbänden (AA, Kreuzbund, Blaukreuz, Guttempler, usw.) auch etliche alkoholfreie Veranstaltungen und Feiern. 

4. Allverfügbarkeit von Substanzen

Problem: In der Weihnachtszeit und an den Weihnachtstagen ist Alkohol fester Bestandteil von Feierlichkeiten. Bei Betriebs- und Familienfeiern zumal. Suchtkranke werden permanent mit Alkohol konfrontiert. Es braucht eine klare und feste Abstinenzentscheidung, um die vielen Risikosituationen zu überstehen. Wenn Sie sich dafür einmal entschieden und es eingeübt haben, fällt es Ihnen leichter.

Bewältigungsstrategie: Ein Familienmitglied oder ein enger, vertrauenswürdiger Freund kann Sie in kritischen Situationen begleiten und unterstützen, wenn Sie möchten. Sowohl soziale Verführungen zum Mittrinken als auch Einsamkeit und Depressivität brauchen keinen Konsum auszulösen. Seien Sie darauf innerlich vorbereitet! Umso größer wird Ihre Freude hinterher sein, dass Sie es bewältigt haben.

5. Selbstfürsorge jederzeit!

Problem: In der stressreichen Weihnachtszeit neigen manche Suchtkranke wie auch Angehörige dazu, sich selbst zu vernachlässigen. Gerade im Angesicht hohen Stresses sollte dies jedoch nicht passieren. Mangelnde Selbstaufmerksamkeit führt zu Nachlässigkeit auch im Umgang mit dem Suchtmittel und kann über „erlaubniserteilende“ Gedanken zum Konsum und damit zum Rückfall führen. 

Bewältigungsstrategie: Bleiben Sie dabei, sich vor allem und zuerst gut um sich zu kümmern. Das erzeugt eine passende Selbstfürsorge und genug Achtsamkeit für Ihr Wohlbefinden. Diese Selbstfürsorge bezieht sich auf Ruhezeiten, Selbstpflege, gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung. 

Zum Abschluss

(1) Wenn Sie Weihnachten als religiöses Fest verstehen und erleben können, tun Sie es mit aller Intensität. Nicht Konsum zählt, sondern Sinngebung und Hoffnung sind die wichtigen Botschaften!

(2) Wenn Sie sich einsam und ungeliebt fühlen, steigern Sie sich nicht in dieses Gefühl hinein! Selbstmitleid hilft Ihnen nicht. Fokussieren Sie sich auf positive Dinge in Ihnen, in Ihrem Alltag und um Sie herum! Machen Sie sich einen Plan für die kommenden Tage! Auch als allein lebender Mensch sind Sie wertvoll und wichtig.

(3) Nach Weihnachten kommen bald Silvester und Neujahr. Machen Sie sich für diese Tage rechtzeitig einen Plan. Achten Sie auf Ihre Fähigkeit und Bereitschaft zur Abstinenz. Es geht nicht darum, Vorsätze zu fassen, die nicht lange Zeit funktionieren, sondern an jedem Tag bewusst zu leben und achtsam mit sich zu sein.

Wie mit Rückfallgedanken und Rückfälligkeit umgehen?

Sie finden wichtige Informationen zum Umgang mit Rückfälligkeit und Rückfallgedanken in diesem Artikel.